Stadt der blauen Paläste
vielleicht, vielleicht auch nicht –, dann werdet Ihr Euch an diese Bilder erinnern.«
»Es sind unwirkliche Bilder«, sagte sie. »Der Palazzo unter Wasser genauso wie jetzt diese Mondlandschaft in der Saline.«
»Und was stört Euch daran?«
»Vielleicht, dass sie so wunderschön sind, dass man weinen könnte.«
»Ich werde Euch nicht in den Arm nehmen«, sagte Renzo leise, »weil ich Euch nie bedrängen werde. Auch wenn dies ein Augenblick wäre, an dem ich es eigentlich tun müsste.«
»Aber tanzen müssen wir doch auch heute«, sagte sie und stand auf, »oder etwa nicht?«
Er lachte.
»Tanzen müssen wir natürlich auch heute«, sagte er und reichte ihr die Hand. »Aber diesmal ohne Musik. Diesmal nehmen wir nur die Wellen dazu.«
Und dann tanzten sie auf dem gleißenden Licht des Mondes in der Saline, spürten die Brüchigkeit des Salzes unter ihren Füßen und wussten, dass es keine Worte geben würde, um das zu beschreiben, was soeben geschah. Es war ihnen bewusst, dass es ein Augenblick war, der auch in tausenden von Jahren nicht zu wiederholen sein würde.
Sie erwachte am anderen Morgen in ihrer Hütte, der Geruch von Holz und Hirsebrei drang in ihre Nase, neben ihrem Kopf lag eine winzige silberne Ledermaske.
Sie stieg von ihrer Pritsche, spürte die Müdigkeit noch in den Gliedern vom Tag zuvor, und sie wusste, dass das, was sie erwartete, kaum leichter sein würde. Die Fässer mit Salz, die sie in der Nacht gesehen hatte, mussten ganz offensichtlich gefüllt werden.
Das Morgenmahl war karg an diesem Tag, und sie nahm es zusammen mit einem alten Arbeiter ein, dessen Gesicht von tausend Furchen durchrissen schien. Der Patrone sei bereits unterwegs, informierte er sie, er komme um die Mittagszeit zurück.
»Bis dahin soll ich Euch zeigen, was es heißt, ein Salzsieder zu sein«, sagte der Mann lächelnd. »Aber keine Angst, ich soll Euch nicht zu arg strapazieren, noch immer ist carnevale. Und es arbeiten auch nur einige von uns, weil eines unserer Schiffe in den nächsten Tagen ausläuft.«
Sie lachte, ging dann mit dem Mann vor die Hütte, kniff die Augen zusammen, als die Sonne kam. Das grelle Weiß des Salzes blendete, die Luft war geschwängert mit seinem Geruch. Dann begannen sie mit ihrer Arbeit.
Das Schiff lag an der Mole des Arsenals. Es war eine ziemlich große Kogge inmitten von anderen Kauffahrerschiffen, die vermutlich bald auslaufen würden, zumindest ließ die Hektik darauf schließen. Ballenbinder schleppten riesige Ballen auf das Schiff, große Käfige – vermutlich für Hühner und Schweine – wurden über den Steg transportiert, Gallonen mit Trinkwasser rollten heran.
Sie saß auf einem der Ballen mit Baumwolle und schaute zu.
Es war noch früh am Abend, aber der alte Mann in der Saline war der Meinung gewesen, dass sie genug im Salz gearbeitet hatte. Wobei er ohnehin den Kopf schüttelte über diese seltsame Idee seines Patrons.
Als die Dämmerung hereinbrach, leerte sich das Schiff, die Stimmen wurden leiser, und irgendwann hatte sie das Gefühl, dass sie inzwischen der einzige Besucher dieser Kogge war. Sie sah hinüber auf die Brücke, aber auch dort war niemand zu entdecken.
Erst als die Dämmerung schon fast in die Nacht überging, kam ein Matrose über die Schiffsrampe und übergab ihr das gleiche Täfelchen wie an den Tagen zuvor.
»Ihr werdet im Salon erwartet«, stand in einer kunstvollen Schrift auf der Tafel, und wieder hing eine kleine lederne Maske an der Nachricht, diesmal mit einem Dreizack und der Maske des Poseidon. »Euer Kostüm findet Ihr an Eurem Schlafplatz.«
Sie lächelte vor sich hin, natürlich konnte es sich bei dem Schlafplatz nur um die Hängematte handeln. Sie stieg in den Bauch des Schiffes hinab, Niedergang, an den Ställen vorbei, Verschlage, dann fand sie den Ort, der gemeint war. Die Hängematten waren bereits heruntergelassen. In einer davon fand sie ein Beinkleid, eine Bluse und eine Matrosenmütze. Sie kleidete sich an, sah an sich hinunter und wusste, es war etwas, was sie sich ein Leben lang gewünscht hatte. In die Wanten zu klettern und auf dem Topp zu sitzen, hätte ihr Vater nie und nimmer erlaubt. Aber vermutlich nicht einmal Riccardo, musste sie sich gerechterweise sagen.
»Ich sah Euch vorhin stehen, als Ihr Euch auf dem Deck umsaht, Euer Blick ging zum Topp, ist es das, was Euch interessiert?«
Sie bemühte sich, nicht zu zeigen, was sie empfand bei dieser Frage. In den seltenen Fällen, in denen sie von ihrem
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