Stadt der blauen Paläste
wir?«, wollte sie wissen.
»Lasst Euch überraschen«, sagte er schmunzelnd, »Ihr fahrt allein. Mich seht Ihr später.«
Die Insel war in gleißendes Licht getaucht.
Sie sah nicht aus wie eine Insel, sondern wie ein Teil des Mondes, auf den sie sich verirrt hatte. Die Salzkristalle glitzerten unter ihren Füßen, als seien sie Edelsteine. Ihre Tritte knisterten, als berührte sie kostbaren Taft.
Es war ihr klar, dass dies die Salzinsel war, zu der sie Renzo damals gebracht hatte.
Dann sah sie die Gestalt am Ufer. Sie trug das gleiche Kostüm wie am Tag zuvor, aber diesmal war es nicht grünblau, sondern silbern. Der Wulst um den Kopfputz war auch heute geschmückt mit Perlenschnüren und kostbaren Seidenbändern.
»Ein Maurer, der einen Mondfürsten besucht«, sagte sie lächelnd, als er ihr ans Ufer half, »wie soll das sein?«
»Der Mondfürst wird sogleich bereit sein für seine Monddogessa«, sagte die Maske und überreichte Crestina galant eine Salzrose. Dann führte er sie in eine der strohgedeckten Hütten der Salzsieder.
Sie betrat den Raum, der eine offene Feuerstelle hatte, ein karges Lager und einen Stuhl mit Tisch, auf dem ein silbernes Gewand ausgebreitet war. Sie kleidete sich um und verließ die Hütte. Die Maske wartete an einer Saline, an der die Salzsieder vermutlich noch bis vor kurzem gearbeitet hatten.
»Heute ist es weniger vornehm als gestern«, sagte Renzo. »Keine unsichtbaren servi, keine kostbaren Speisen. Heute wird der Mondfürst seine Fürstin mit einem kargen Mahl bewirten, mit einem Geschenk des Meeres, mit einem selbst gefangenen Fisch.«
Er legte den Arm um ihre Schulter, führte sie das Ufer entlang, bis sie bereits von Ferne den Geruch des Feuers vernehmen konnte. An einem Steintisch und zwei großen Steinen zu beiden Seiten des Tisches als Stühle ließen sie sich nieder.
Er bemühte sich um den Fisch, der an einem Spieß steckte und sich an einer Hängevorrichtung drehen ließ. Er schnitt das Brot auf dem steinernen Tisch, füllte Schälchen mit Oliven und goss Wein in zwei Becher. Zwei Kerzen steckten in steinernen Haltern. Es war nahezu windstill. Die Kerzen spendeten ein ruhiges Licht.
Auch diesmal gab es ein nahezu schweigendes Mahl.
»Und womit gedenkt der Herr der Salze mich morgen zu beglücken?«, sagte sie und hielt ihm ihre Hände entgegen, auf denen einige Blasen sichtbar wurden.
Er lachte.
»Morgen sind es nicht die Hände, morgen wird es der Rücken sein, der Euch schmerzt. Aber Ihr werdet ganz gewiss ebenso viel Freude an Eurer Verkleidung haben wie heute. Oder irre ich mich da?«
Sie seufzte. »Nein, Ihr irrt Euch nicht. Es war ein sehr seltsames Gefühl. Aber es war natürlich kein carnevale, das ist Euch doch klar, oder?«
»Es ist eine andere Form von carnevale, für mich zumindest. Und ich hoffe natürlich, dass sie tiefer geht als dieses oberflächliche Tun, das nur aus Klamauk besteht. Ihr wart doch ein Maurer in Eurer Seele, oder etwa nicht?«
Sie lachte.
»Ich fürchte, Ihr werdet morgen alles wieder abklopfen müssen, was ich da auf die Wand hingekleckst habe.«
»Glaubt Ihr im Ernst, es kommt auf die Perfektion an bei so etwas?«
»Natürlich nicht«, gab sie zu, »aber ich frage mich, was Sebastiano sich gedacht hat?«
»Sebastiano?«, er blickte sie verwundert an. »Was um Himmels willen hat er damit zu tun?«
»Ich kann das schlecht erklären«, sagte sie, »aber was für uns ein Spiel ist, ist für ihn doch sein wirkliches Leben.«
Renzo schüttelte den Kopf, zunächst verblüfft, dann amüsiert.
»Woher wollt Ihr wissen, was sein wirkliches Leben ist? Schwingt Ihr Euch da nicht zu etwas auf, was Euch nicht zukommt? Und überdies, was soll das heißen, das ›wirkliche Leben‹? Ist das, was wir hier tun, etwa ein falsches Leben?«
Sie blickte über die Lagune, sah das Licht des Mondes im Wasser flackern wie einen riesigen Ball, der auf der Wasserfläche Kindern zum Ballspielen gelassen wurde, ihren Tisch und Renzo mit der Maske.
»Es wird gewiss nicht immer so sein«, sagte sie dann leise.
Renzo schob seine Maske nach oben, sodass Crestina sein Gesicht sehen konnte.
»Wenn es das ist, was ich meine, dann kann es selbstverständlich nicht immer so sein. Aber ganz gleich, was sein wird nach diesen drei Tagen, sie werden in Eurer Erinnerung haften bleiben. Man kann sie Euch nie nehmen, egal, was sein wird. Und falls Ihr eines Tages als uralte Frau auf Euer Leben zurückschauen, die Spreu vom Weizen trennen werdet –
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