Stadt der Blumen strava3
Colle Vernale sammle ich selbst. Da vertraue ich keinem sonst.«
»Darf ich dir helfen?«, schlug Arianna Francesca vor. »Meine Großmutter lebt auf einer der Inseln und macht exquisite Spitze. Sie stellt sie für die schönsten Hochzeitskleider in der Lagune her und kann jedes beliebige Muster ausführen. Sollen wir sie aufsuchen und bitten, etwas für dich zu entwerfen? Ich würde dir das Kleid so gerne zur Hochzeit schenken. Und ich war schon lange nicht mehr auf Burlesca.«
Auch Camillo Nucci interessierte sich für Kräuter und Pflanzen, zumindest für die giftigen. Schon in seiner Kindheit hatte er gelernt die Familie di Chimici zu hassen, und er sah sich als der berufene Rächer aller Beleidigungen und Kränkungen, die ihnen durch sie widerfahren waren. Es kümmerte Camillo nicht, dass die Chimici immer mächtiger wurden und sich über Talia ausbreiteten; an Politik war er nicht interessiert. Er wollte nur mit ihnen abrechnen.
Die bevorstehenden Hochzeiten würden den perfekten Rahmen für einen Anschlag auf die Chimici abgeben. Schon füllte sich die Stadt für Ostern mit Händlern und Pilgern und die öffentlichen Festlichkeiten für die Hochzeiten der Prinzen würden nur noch mehr Besucher bringen. Wer konnte schon unterscheiden, ob ein bestimmtes Gift, das in eine Speise für die Chimici gemogelt wurde, aus der Stadt selbst oder von einem der vielen Feinde der Chimici von außerhalb gekommen war?
Camillo Nucci hatte sich mit einem alten Mönch aus Volana zurückgezogen und unterhielt sich mit ihm über die Eigenschaften der wilden Pilze, die in den Feldern und Wäldern um die Stadt wuchsen. Aber den struppigen Gassenjungen, der ihm zu dem alten Palazzo der Familie in der Nähe von Santa-Maria-im-Weingarten gefolgt war und der die beiden jetzt durch einen Spalt in der Tür belauschte, hatte er nicht bemerkt.
»Was will Camillo Nucci denn wohl über Giftpilze wissen?«, fragte sich Sandro. Er nahm sich vor den Aal gelegentlich davon zu unterrichten, dann machte er sich auf, um Bruder Tino zu suchen.
Der Bootsmann ruderte die Duchessa und ihre Freundin über die Lagune nach Burlesca. Er fungierte gleichzeitig als Wache und die Duchessa hatte außerdem noch einen jungen Cavaliere dabei, der mit einem gefährlich wirkenden Merlino-Dolch bewaffnet war. Lucien trug seine Waffe ganz offen, doch nur er wusste, dass auch Arianna eine in ihrem Strumpfband verborgen hielt. Einem alten Versprechen gemäß, hatte sie diesen Dolch von ihren Stiefbrüdern geschenkt bekommen, als sie sechzehn wurde, und Lucien bezweifelte nicht, dass sie ihn auch benutzen würde, falls sie angegriffen wurde.
»Ich bin letztes Jahr mit Gaetano hierher gekommen«, sagte Francesca voller glücklicher Erinnerungen.
Lucien sah sie neugierig an. Francesca ließ nie ein Wort darüber fallen, dass ihr zukünftiger Ehemann im vergangenen Sommer um eine andere Frau geworben hatte, um die Frau, die immer mehr zu ihrer engsten Freundin wurde. Er selbst hatte das während der Wochen in Remora nur allzu gut mitbekommen und er war im Unklaren gewesen, ob Arianna den Chimici-Prinz erhören würde. Seine Gefühle in dieser Sache waren keineswegs unkompliziert gewesen, denn er mochte Gaetano und hatte selbst seine Abenteuer mit der Stravagante Georgia gehabt. Nicht gerade romantischer Art, aber da sie beide Stravaganti waren, war es eine besondere Beziehung gewesen.
»Sieh mal, dort ist ihr Haus«, sagte Arianna. »Das weiße dort zwischen den bunten Gebäuden.«
Das Boot legte im Hafen an und die jungen Leute gingen durchs Dorf, wobei sie interessierte Blicke auf sich zogen. Zwei gut aussehende, reich gekleidete Damen, die eine mit Maske, die andere ohne, mussten die Aufmerksamkeit einfach auf sich ziehen.
»Das ist die junge Duchessa«, flüsterte man. »Besucht bestimmt ihre Großeltern.«
Paola Bellini saß wie üblich mit ihrem Klöppelkissen vor ihrem weiß getünchten Häuschen. Sie war Mutter und Großmutter einer Duchessa, trotzdem hatte sie nicht das Bedürfnis, in besseren Verhältnissen zu leben als in ihrem kleinen wei
ßen Haus, das die letzten fünfzig Jahre ihr Heim gewesen war.
»Großmutter!«, rief Arianna und eilte auf sie zu. »Wir brauchen Spitze für ein Hochzeitskleid!«
Paolas Blick glitt rasch zu Lucien, doch er erwiderte ihn mit einem leicht vernei
nenden Stirnrunzeln.
»Für meine Freundin Francesca«, setzte Arianna schnell hinzu. Doch sie hatte den Blick gesehen und die Röte stieg ihr den Hals
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