Stadt der Blumen strava3
dunkle Ringe unter den Augen hatte. »Er wollte sich Ariannas Statue ansehen.«
»Und dann sind wir alle in eine Taverne gegangen und haben Wein getrunken«, berichtete Sky. »Es war ein ziemlicher Schock gewesen, so plötzlich auf den Her
zog zu stoßen.«
»Am Nachmittag gab es ein Treffen aller Stravaganti«, fuhr Nicholas fort.
»Und wir haben auch wegen dir gefragt, Alice.«
»Ach ja? Was haben sie gesagt?«
»Sie waren eigentlich ganz einverstanden damit«, sagte Sky. »Giuditta meinte, sie selbst müsse dir den Talisman bringen.«
»Na, herzlichen Glückwunsch«, sagte Alice. »Eure Geschichten passen ja wun
derbar zusammen.«
»Es sind keine Geschichten«, sagte Georgia. »Es sind Berichte von dem, was wirklich passiert ist. Und ich für meinen Teil habe die Nase voll davon, dass du uns nicht glaubst.« Alice sah erstaunt auf.
»Wie oft soll ich dir noch sagen, dass ich nicht im Geringsten daran interessiert bin, mit Sky zu gehen?« Georgia kam jetzt richtig in Fahrt. »Warum sollte ich wohl all diese Talia-Geschichten erfinden? Warum sollte sich überhaupt einer von uns die Mühe dazu machen?«
»Hört auf, alle beide!«, entfuhr es Nicholas plötzlich. »Ich halte es nicht mehr aus, dass ihr euch darüber streitet, ob es mein Land gibt oder nicht! Mein Vater ist dort vergiftet worden und die anderen Mitglieder meiner Familie sind ständig in Gefahr, überfallen zu werden. Ich kann keine Zeit mehr mit diesem Zoff ver
schwenden. Glaub uns, Alice, oder lass es bleiben. Ich will über meine Rückkehr reden.«
»Also, wir können doch schon heute Nacht wieder reisen«, sagte Sky.
»Nein«, sagte Nicholas. »Ich meine nicht unsere nächste Reise. Ich rede von meiner endgültigen Rückkehr.«
Vorsichtig setzte Sandro einen Fuß auf das Labyrinth. Er verstand nicht, warum Sulien wollte, dass er es betrat, aber während seine Schritte dem Muster im Marmor folgten, spürte er allmählich, wie Ruhe über ihn kam. Er sah zu Boden und ging langsam hinter dem schwarz-weiß gekleideten Mönch vor ihm her, bis die Farben des Labyrinths und der Kutte verschwammen. Als er die Mitte erreicht hatte, sank er in die Knie und fühlte sich unendlich müde. Am liebsten wäre er für immer dort liegen geblieben.
Plötzlich wurde Sandro bewusst, dass Sulien zu ihm getreten war. Der letzte der anderen Mönche hatte den Mittelpunkt des Kreises verlassen. Sandro erkannte, dass er auf der Gestalt einer Frau kniete. Ihre Gewänder und ihr Haar waren in schwarzen Umrissen auf dem weißen Marmor zu sehen und sie hatte ein freundliches, liebevolles Gesicht, das ihn zum Weinen rührte. Um ihren Kopf waren zwölf Sterne. Sandro stand auf und verfolgte die Linien schweigend und langsam zurück bis zum äußeren Rand des Labyrinths. Inzwischen dämmerte es in Talia und der Himmel vor den Kirchenfenstern war dunkel geworden.
»Ich muss Fratello holen«, sagte Sandro zu Sulien. »Er wird sich einsam fühlen.«
»Bring ihn durch den Kreuzgang herein«, sagte der Mönch. »Ihr könnt heute Nacht beide im Laboratorium schlafen.«
»Und erklärt Ihr mir dann das mit den Schatten?«, fragte Sandro.
»Das mache ich«, bestätigte Sulien.
»Ich habe mich gefragt, Euer Gnaden«, sagte Enrico, »ob die Nucci sich vielleicht mit anderen Feinden verbündet haben.«
»Das ist mehr als wahrscheinlich, würde ich sagen«, erwiderte der Herzog. »An welche Feinde hattest du gedacht?«
Enrico war sich nicht ganz sicher, wie er fortfahren sollte. Als er damals mit seinem Herrn nach der Trauerfeier für den jungen Prinzen zurückgekehrt war, war der Herzog besessen gewesen von einer Gruppe von Leuten, die von dem Regenten von Bellezza angeführt wurde. Enrico wusste, dass sie »Stravaganti« genannt wurden, aber was das bedeutete, wusste er nicht. Er glaubte, dass es sich um eine mächtige Bruderschaft von Zauberern handelte, und er hatte Angst davor, was Senator Rodolfo mit ihm anstellen könnte.
Er wusste auch, dass der junge Gehilfe des Senators, Luciano, mehr von seinem Herrn gelernt hatte als Naturwissenschaften. Ihm hatte auch einmal etwas Unnatürliches angehaftet. Enrico hatte Luciano mit eigenen Händen gefangen und wusste, dass er damals keinen Schatten gehabt hatte. Inzwischen allerdings hatte er einen.
Der frühere Herr des Aals, Rinaldo di Chimici, hatte sich sehr für dieses Phänomen interessiert, auch wenn es plötzlich wie weggeblasen war, als er es dem Volkssenat von Bellezza hatte vorführen wollen. Enrico hatte nie
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