Stadt der Blumen strava3
herausbekommen, was es bedeutete; es gehörte zu den Dingen, die er mit aller Macht verdrängte, genauso wie das Verschwinden seiner Verlobten. Doch nun hatte Enrico zwei weitere Menschen ohne Schatten in Giglia entdeckt und sie hatten beide etwas mit dem schwarzen Mönch zu tun, der den Herzog nach dem Giftanschlag gerettet hatte.
»Nun?«, sagte der Herzog, »Hast du Informationen oder nicht?«
»Es gibt noch einen neuen Novizen in Santa-Maria-im-Weingarten, Euer Gnaden«, berichtete Enrico zögernd.
»Das ist wohl kaum von Bedeutung«, erwiderte der Herzog. »Ich glaube, ich ha
be ihn mit dem jungen Bruder Celestino im Atelier der Bildhauerin flüchtig gesehen. Was ist mit ihm?«
»Wie gewiss sind sich Eure Gnaden der Treue der Mönche dort oben?«, fragte Enrico.
»Ziemlich gewiss«, sagte der Herzog. »Bruder Sulien hat mir schließlich vor kurzem das Leben gerettet.«
»Es ist nur, dass … also, weder dieser neue Novize – Benvenuto heißt er meinen Erkundigungen nach – noch dieser Bruder Tino scheinen einen Schatten zu haben.«
Der Herzog schwieg. Seine Erinnerung an die Ereignisse in Remora war umwölkt
– vor Kummer und, wie er argwöhnte, durch Hexerei. Aber immerhin ahnte er, dass diese Information etwas zutiefst Bedeutendes enthielt. Etwas, das mit dem Tod seines Sohnes zu tun hatte. Er hatte niemals geglaubt, dass Falco sich umgebracht hatte. Dieser Luciano und sein Freund, der Stalljunge, der anscheinend verschwunden war, hatten die Finger im Spiel gehabt. Doch der Herzog hatte einen eigenen geheimen Plan, wie er mit Luciano verfahren wollte.
»Geh der Sache nach«, sagte er kurz angebunden. »Finde alles über diesen Benvenuto heraus und bringe die Information direkt zu mir. Sprich mit keinem anderen darüber.«
Nach der Eröffnung von Nicholas waren alle wie vor den Kopf gestoßen.
»Ich bin es leid, Nicholas zu sein«, sagte er einfach, »ich möchte auch nicht Bruder Benvenuto sein. Ich möchte wieder Falco sein und in meiner Stadt leben, mit meiner richtigen Familie.«
»Aber du kannst die Uhr nicht einfach zurückstellen«, sagte Georgia. »In Giglia bist du tot und beerdigt – mit einer Statue der großen Giuditta Miele vor dem Grab.«
»Woher willst du wissen, dass ich es nicht kann?«, fragte Nicholas. »Nach meiner Transfiguration hierher ist die Welt doch um ein Jahr nach vorne gesprungen.
Wenn ich zurückkehre, bewegt sie sich vielleicht wieder in die andere Richtung.«
»Aber dann würdest du doch wieder so wie du vorher warst, oder nicht?«, fragte Sky. »Mit einem verkrüppelten Bein.«
»Noch schlimmer«, sagte Georgia, der alles blitzartig klar geworden war. »Dann müsste er in dieser Welt sterben. Willst du das Vicky und Davis wirklich antun, Nicholas?«
»Vielleicht gibt es ja einen Weg, wie es sich für die beiden regeln lässt«, murmelte er.
»Hört auf!«, sagte Alice. »Ihr drei macht mich noch völlig verrückt! Also gut, ich glaube euch in Bezug auf diese andere Welt. Ihr müsst nicht auch noch von Tod reden und so.«
»Hör mal«, sagte Sky zu Nicholas, »du bist müde und es hat dir bestimmt zugesetzt, wieder in deiner alten Welt zu sein. Wir können heute Nacht wieder hinfahren – jede Nacht, wenn du möchtest. Aber du kannst nicht einfach zurückkehren nach Talia, als ob nichts geschehen wäre.«
»Hast du dich je gefragt, wo Bruder Tino hergekommen ist?«, fragte Sulien.
»Ihr habt behauptet, aus Anglia«, sagte Sandro.
»Und das stimmt auch«, fuhr der Mönch fort, »auf gewisse Weise. Aber sowohl er als auch Benvenuto kommen aus einem Anglia in einer anderen Welt – und aus einer Zeit, die schon hunderte von Jahren voraus ist.«
Sandro machte das vor Unheil bewahrende Zeichen der Glückshand. Solche Re
den waren das Letzte, was er von einem Mann Gottes zu hören erwartete.
Sulien lächelte. »Du musst dich nicht fürchten«, sagte er. »Es sind gute Men
schen. Und sie gehören derselben Bruderschaft an wie ich.«
»Den Hunden Gottes?«, fragte Sandro.
»Den Stravaganti«, erwiderte Sulien.
»Was ist das?«
»Das sind Reisende – Reisende durch Zeit und Raum. Zurzeit haben sich einige von ihnen in der Stadt versammelt. Sie – wir – haben vor ein Blutbad während der bevorstehenden Hochzeitsfeierlichkeiten zu verhindern.«
»Dann ist Bruder Tino eigentlich gar nicht Euer Novize?«, fragte Sandro. »Ist er überhaupt ein Mönch?«
»Nein«, gab Sulien zu. »Das haben wir nur als Deckung für seinen Aufenthalt hier
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