Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
Boden empor, da zerfiel er ihm unter den Händen. Ich hatte ihn an drei Stellen durchtrennt.
Ich trat hinaus auf den Korridor und wäre fast mit Curran zusammengestoßen, der in Begleitung einiger Gestaltwandler vorüberging. Bran folgte mir in seiner ganzen nackten Pracht. »Hey, soll das heißen, kein Sex?«
Curran blickte verblüfft. Ich wich ihm aus und ging weiter.
Bran lief mir nach und schlängelte sich zwischen den Gestaltwandlern hindurch. »Aus dem Weg, seht ihr denn nicht, dass ich mit einer Frau spreche?«
Ich blickte mich gerade rechtzeitig um, um zu sehen, wie Curran seine Hand nach dem Hals des vorbeihastenden Bran ausstreckte. Mit einer Willensanstrengung, die ihm Immenses abverlangen musste, ballte Curran, statt zuzugreifen, die Hand zur Faust und ließ sie wieder sinken.
Ich kicherte kurz in mich hinein und ging weiter. Es gab also doch jemanden, der Curran noch schneller auf die Palme trieb als ich.
Bran holte mich auf der Treppe ein. »Wo willst du denn hin?«
»Auf einen Balkon. Ich brauche frische Luft.« Und vielleicht würde ich ein kleines Nickerchen halten. Obwohl ich gar nicht mehr schläfrig war. Der Strom der Magie wirkte auf mich enorm belebend und verlockte mich, etwas damit anzustellen. Würde das der Dauerzustand sein, wenn die Magie endgültig die Herrschaft übernahm? Ich war mir gar nicht sicher, ob ich mit so viel roher Macht überhaupt umgehen konnte. Ich musste mich sehr beherrschen, und es kam mir vor, als ritte ich in vollem Galopp auf einem wahnsinnig gewordenen Pferd, dessen Zügel mir zusehends entglitten.
Bran schlenderte neben mir her. Dass er nun gänzlich unbekleidet war, schien ihn nicht zu kümmern. Ich betrat den erstbesten Raum, nahm aus einer Kommode eine graue Trainingshose – die gab es in fast jedem Zimmer der Festung, denn die Gestaltwandler legten Wert darauf, dass überall Kleidung zum Wechseln bereitlag – und hielt sie ihm hin.
»Sonst kannst du dich gar nicht mehr beherrschen, hm?« Er zog sich die Trainingshose an.
»Ja, genau«, murmelte ich, nahm mir eine Decke und ein Kissen und verließ den Raum wieder.
Er folgte mir auf den nächsten Balkon, wo ich mir in einer Mauernische eine Schlafstelle zurechtmachte und mich zur Ruhe legte. Die Mauer schirmte mich vor dem direkten Sonnenschein ab, dennoch sah ich alles: den blauen Himmel, die Wattewölkchen, das leuchtend grüne Laub der Bäume. Ich roch den honigsüßen Duft der Blumen und das leichte Wolfsaroma, das in der Luft lag. Und ich sog das alles in mich ein.
Bran hockte sich auf das steinerne Geländer. »Ein halb verhungertes Straßenkind. Ein völlig wertloser Mensch. Und deswegen zieht ihr jetzt in den Krieg.«
»Kriege wurden schon aus viel schlechteren Gründen angefangen.«
Er sah mich an. »Ich verstehe das nicht.«
Wie erklärte man Menschlichkeit jemandem, der überhaupt nichts damit anfangen konnte? »Es hat etwas mit Gut und Böse zu tun. Jeder muss sich entscheiden, was das für ihn bedeutet. Für mich ist es böse, ein Ziel zu verfolgen, ohne auf die Mittel zu achten, die man dabei anwendet.«
Er schüttelte den Kopf. »Lieber ein kleines Übel tun, um ein großes zu verhindern.«
»Und wie entscheidet man, was ein kleines Übel ist? Sagen wir mal, du erkaufst die Sicherheit vieler Menschen mit dem Leben eines Kindes. Dieses Kind bedeutet seinen Eltern aber alles. Sein Tod wäre für sie ein vernichtender Schlag. Ein größeres Übel könntest du ihnen gar nicht antun. Wieso wäre das also ein ›kleines‹ Übel?«
»Weil dann nicht noch mehr von euch Spinnern dabei draufgehen würden.«
»Wir Spinner ziehen freiwillig in diesen Kampf. Wir haben einen freien Willen. Ich kämpfe, um Julie zu retten und um so viele von diesen Scheißviechern zu töten, wie ich nur kann. Sie sind in mein Haus eingedrungen, sie haben versucht, mich umzubringen, und dann haben sie mein kleines Mädchen gekreuzigt. Ich will sie bestrafen. Und ich will, dass diese Strafe so hart und so brutal ausfällt, dass der nächste Abschaum, der an ihre Stelle tritt, sich allein schon bei der Vorstellung, im Kampf gegen mich antreten zu müssen, vor Angst in die Hose macht.«
Slayer qualmte in seiner Scheide, das Schwert spürte meinen Zorn. Normalerweise musste ich es ab und zu füttern, sonst wurde die Klinge spröde, doch da die Magie nun so stark floss, würde das Schwert die Schlacht auch ohne Futter überstehen.
Ich wies auf den Hof. »Die Gestaltwandler kämpfen, um sich einer Gefahr zu
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