Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
haben gesagt: Hol das Mädchen, oder du stirbst. Also hab ich sie geholt. Jeder von euch Pissern hätte das Gleiche getan. Und wenn du jetzt auf mich herabsehen willst, kann ich nur sagen: Ich scheiß auf dich.«
Er spie auf den Boden.
»Wenn sie dir so egal war, wieso hast du mich dann gebeten, auf sie aufzupassen?«
»Weil sie eine Investition ist, du dumme Fotze.«
Er war kein vernünftig denkender Mensch mehr – er war nur noch ein Klumpen Hass. Wir hätten ihn grün und blau prügeln können – oder ihm Vorträge halten, bis es ihm zu den Ohren wieder herausgekommen wäre, doch auch mit noch so viel Strafe oder Belehrung hätten wir ihn nicht dazu gebracht einzusehen, dass er etwas Falsches getan hatte. Ein aussichtsloser Fall.
»Was wirst du mit ihm machen?«, fragte ich Jim.
Jim zuckte die Achseln. »Er kriegt ein Messer und muss mit in die Schlacht. Dann kann er zeigen, wie hart er ist.«
»Er wird uns in den Rücken fallen.«
»Ich habe Leute, die ihn im Blick behalten. Wir haben ihn einmal gefunden, und wir würden ihn jederzeit wieder finden. Und wenn er einen von uns angreift, werde ich ihm anschließend bei lebendigem Leib die Haut abziehen. Und zwar schön langsam und genüsslich.« Jim lächelte zu Red hinüber. Dieses Lächeln bekamen die Leute normalerweise nur ein einziges Mal zu sehen – kurz bevor Jim sie umbrachte. Und es zeigte die gewünschte Wirkung. Red fuhr zusammen und wurde so blass, dass man es selbst durch die Schmutzschicht auf seinem Gesicht hindurch sehen konnte.
»Irgendwelche Einwände?«, fragte Jim mich.
»Mach, was du willst.«
Auf dem Hof röhrten zwei große Omnibusse, deren Motoren mit Wasser betrieben wurden, dem ein wenig Magie beigefügt war. Diese Fahrzeuge mit Magiebetrieb hatten leider den Nachteil, dass sie ziemlich lahm waren – sechzig km/h war das höchste der Gefühle – und dass sie ein Getöse machten, dass die Toten davon aufwachten – und die Polizei riefen. Ich fuhr nun also in einem Bus in die Schlacht. Das Universum hatte durchaus Sinn für Humor.
Dann erblickte ich Myong. Und neben ihr stand Crest. Er sah so gut aus wie eh und je: dunkle Augen, kastanienbraunes Haar, eine gepflegte, perfekt gekleidete Erscheinung. Doch sein Anblick löste nichts mehr in mir aus. Ich spürte auch keine Verlegenheit. Ich war frei.
»Curran lässt ihnen ihren Willen. Er hat Myong von allen Pflichten dem Rudel gegenüber entbunden. Sie ist auch von dem Kampf freigestellt.« Derek verzog den Mund. »Wenn es nach mir ginge, würde sie kämpfen müssen. Und erst wenn sie sich gut geschlagen hätte, würde ich sie eventuell freigeben.«
Crest hielt Myong die Tür eines kleinen grauen Fahrzeugs auf.
»Da fährt es hin, das glückliche Paar, freigestellt von der Vergeltung und der Rettung der Welt. Stört dich das gar nicht?«
Ich lächelte. »Derek, man muss auch gönnen können.«
Wir gingen um den Bus herum, dann schlug mir ein Schwall vampirischer Magie entgegen. Acht Vampire hockten wie Statuen vor einem Jeep. Curran stand in ein lebhaftes Gespräch mit dem neunten Vampir vertieft neben dem Jeep. Der Vampir sah mich an.
»Kate«, sagte er mit Ghasteks Stimme. »Deine Fähigkeit, am Leben zu bleiben, erstaunt mich immer wieder aufs Neue.«
»Was macht ihr denn hier? Wieso verschanzt ihr euch nicht im Casino?«
»Ganz einfach, meine Liebe: Ich bin gekommen, um es ihnen heimzuzahlen. Und außerdem möchte das Volk die Leistungsfähigkeit der Vampire während eines Flairs erproben – in einer Umgebung, in der sie ungehemmt Schäden anrichten können. Doch vor allem bin ich hier, um mich an dem Hirten zu rächen. Ich halte Vergeltung für ein durchaus hehres Ziel.«
Als ich sah, wie Curran guckte, wusste ich mit einem Mal ganz genau, wer Bran durch den unterirdischen Gang begleiten würde.
Kapitel 25
D ie Blase erfüllte mittlerweile die halbe Schlucht. Sie war durchscheinend und von Haarrissen durchzogen, darunter konnte man vage die Gesichter der Monster erkennen. Mit ihren hässlichen Fratzen standen die Formorier Schulter an Schulter beieinander, dicht gestaffelt, wie Pfefferminzbonbons in einer Packung.
Wir waren mit den Bussen nach Honeycomb gefahren und von dort auf einem Pfad in die Schlucht hinabgewandert. Curran hatte einhundert Gestaltwandler dabei, alles Freiwillige. Hundert Mann konnten die Schlucht so lange blockieren, dass Bran Gelegenheit bekam, den Kessel zu verschließen. Doch wenn sie es nicht schafften, konnte kein noch so großes
Weitere Kostenlose Bücher