Stadt der Fremden
sagen das, als ob sie nach einer Möglichkeit suchen, die Fremdartigkeit des Immer hervorzuheben: Die Folgerung aus dieser Annahme ist, dass es etwas in dieser grundlegend anderen Realität gibt, das den menschlichen Geist gründlich zerrüttet. (Was das Immer sicherlich kann, aber nicht auf diese Weise.)
Es stimmt also nicht; dennoch ist es so, dass ich und die meisten Immer-Eintaucher, die ich gekannt habe, nur flüchtige oder vageoder verworrene Erinnerungen an die Zeit haben, als wir klein waren. Ich denke nicht, dass hier etwas Mysteriöses vorliegt: Ich glaube, es ist eine Konsequenz aus unseren geistigen Haltungen, aus der Art und Weise, wie wir denken, und zwar bei jenen von uns, die in das Außen gehen wollen.
Ich entsinne mich sehr gut an Episoden, doch eben nur an Episoden, nicht an eine Zeitachse. An die bedeutendsten Zeiten, an die prägenden Augenblicke. Der Rest von allem befindet sich unorganisiert in meinem Kopf, und meistens ist mir das egal. Hier: Noch ein anderes Mal in meiner Kindheit war ich in Gesellschaft von Gastgebern. Eines Morgens im dritten Monatling eines Julis wurde ich zu einem Treffen gerufen.
Es war Papa Shemmi, den sie schickten, um mich zu holen. Er drückte meine Schulter, als er mich in eines der schmuddeligen, mit Papierkram und Datspace überfüllten Büros vom Kinderhort wies. Es handelte sich um Mama Solfers Raum, und ich war noch nie zuvor darin gewesen. Das meiste war Terretech, obwohl ein kastenförmiger, bio-fabrizierter Abfalleimer ruhig seinen Müll aß. Solfer gehörte zu den Älteren, sie war freundlich und zerstreut; allerdings kannte sie meinen Namen, und das wusste sie nicht von all meinen Schichtgeschwistern. Sie erhob sich und winkte mich zu sich, wobei sie sich offenkundig unbehaglich fühlte. Sie stand da, blickte um sich herum, als ob sie nach einem Sofa suchen würde, das es im Raum nicht gab, und setzte sich dann wieder. Hinter ihrem Schreibtisch saß Papa Renshaw neben ihr. Rückblickend stelle ich fest, nicht ohne eine gewisse Belustigung, dass sie nur wenig Platz hatten und viel zu eingeengt dort saßen. Papa Renshaw, der ein relativ neuer, rücksichtsvoller und lehrerhaft wirkender Schichtvater war, lächelte mich an. Zu meiner Verwunderung war die dritte Person, die auf mich wartete, Bren.
Seit Yohns Unfall war beinahe ein Jahr vergangen, fast fünfundzwanzig Kilostunden, und weder ich noch irgendjemand von uns hatte sich seither zu jenem Haus zurückbegeben. Natürlich war ich seitdem gewachsen, und zwar mehr als viele meiner Geschwister. Doch sobald ich den Raum betrat, zeigte Bren mit einem Lächeln,dass er mich wiedererkannte. Er sah unverändert aus. Möglicherweise trug er dieselben Kleidungsstücke wie bei jenem Ereignis.
Mama bewegte sich. Obwohl sie mit den übrigen auf einer Seite des Schreibtischs saß und ich auf der anderen, auf dem steifen Erwachsenenstuhl, zu dem sie mich dirigiert hatte, fühlte ich plötzlich aufgrund der Art und Weise, wie sie die Augenbrauen bewegte, wenn sie mich anblickte, dass sie und ich zusammen waren, in was für einer merkwürdigen Sache auch immer.
Ich würde dafür bezahlt werden, erklärte sie (wie sich herausstellte, war es ein nicht geringer Betrag, der auf mein Konto geladen werden würde); es war ziemlich sicher; und es war eine Ehre. Ihre Worte ergaben für mich nicht allzu viel Sinn. Papa Renshaw unterbrach sie in liebenswürdiger Weise. Er wandte sich Bren zu und forderte ihn mit einer Handbewegung zum Reden auf.
»Du wirst gebraucht«, sagte Bren zu mir. »Darum geht es hier.« Er hielt seine Hände wie zwei Schalen, als ob ihre Leere ein Beweis für etwas wäre. »Die Gastgeber brauchen dich, und aus irgendeinem Grund bin wieder einmal ich derjenige, der es vermitteln soll. Sie versuchen, etwas auszuarbeiten. Sie führen im Moment eine Aussprache. Ein paar von ihnen sind überzeugt, sie könnten sich klar und verständlich ausdrücken durch einen … durch einen Vergleich.« Er beobachtete mich, um zu sehen, ob ich ihm zu folgen vermochte. »Sie haben … eine Art von Gedanken. Aber die Geschehnisse, die sie damit ausdrücken wollen, haben sich noch nicht ereignet. Verstehst du, was das bedeutet? Sie möchten es sprachfähig machen. Daher müssen sie es gestalten. Ganz genau. Es schließt ein menschliches Mädchen ein.« Er lächelte. »Du verstehst, warum ich nach dir gefragt habe.«
Ich vermute, er kannte keine anderen Kinder.
Bren lächelte über die Weise, wie sich mein Mund
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