Stadt der Fremden
dies begonnen hat. Surl Tesh-echer ist schon lange vorbei; doch du hast Zeit mit Scile verbracht, seit EzRa angekommen ist. Und alles ging … Was habt ihr gemacht? Du und … und Vin?«
»Scile war stets voller Pläne«, erwiderte er. »Wir haben eine Menge geplant. Er und ich. Vin … hat irgendwas daraus geholt, glaube ich.« Er betrachtete mich.
Es war, als er Sciles Notiz gelesen hatte, dass Vin sich das eigene Leben genommen hatte. Ungeachtet dessen, was Scile selbst war und was er wollte, hatte Vin eine Gemeinsamkeit mit ihm gefunden: eine Gemeinsamkeit des Leids oder Verlustes oder etwas anderes. Eine Bruderschaft jener, die mich einst geliebt hatten – oder es immer noch taten? Mir drehte sich der Magen um.
Während Cal unter Narkose stand, begann Ez, in Panik zu verfallen: Er beharrte darauf, dass er nichts tun, dass er uns nicht helfen würde, dass er es nicht könnte und dass es nicht funktionieren würde. Ich hörte von einer der Wachen, wie MagDa mitten in seinem kleinen Nervenzusammenbruch eingetroffen waren. Mag war an der Tür stehen geblieben, während Da dorthin gegangen war, wo Ez saß. Sie beugte sich vor und schlug ihm mit der Faust ins Gesicht. Ihre Knöchel platzten auf.
»Haltet ihn!«, befahl sie den Wächtern und ließ ihre Faust erneut auf ihn hinunterfahren.
Er schrie und wand sich, sein Kopf knallte von einer Seite zur anderen. Mit allergrößter Verwunderung und Blut im Gesicht starrte Joel zu Mag und Da auf und brüllte vor Schmerz.
Mag sagte zu ihm mit ganz flacher und ruhiger Stimme: »Tatsächlich wirst du mit Cal Sprache sprechen. Du wirst lernen, wie – und zwar schnell. Und du wirst nie wieder meine Anweisungen oder die irgendeines anderen Personalangehörigen oder Komiteemitglieds missachten.«
Ich war nicht dort, aber so soll es sich zugetragen haben, wie mir erzählt wurde.
19
Die strategielosen Angriffe auf unsere Barrikaden wurden fortgeführt. Unsere neuen Stadtgrenzen rochen schlecht von den ariekenischen Toten. Unsere Ziegelsteine zerbrachen rund um Gastgeberleichen. Unsere bio-fabrizierten Waffen waren hungrig und starben, die terre-technischen fielen aus. Innerhalb von Tagen kämpften wir nur noch mit Händen gegen Präsentflügel.
Es war die übliche Belagerungsgeschichte, die unser Ende herbeiführen würde: Die Ressourcen gingen aus. Keine Lebensmittel kamen durch die dafür bestimmten Schlingen des Dickdarms, der Botschaftsstadt mit unseren Leihfarmen verband, und unsere Vorräte waren schwerlich unbegrenzt. Wir hatten keine Energie von den ariekenischen Kraftwerken, und unsere eigenen Absicherungen würden versagen.
Ich bin niemals imstande gewesen, mich selbst davon zu überzeugen, dass es nichts schadete, doch die Sehnsucht nach der Vergangenheit konnte ich damals nicht unterbinden. Als ich genau in jenem Moment die Straßen mit den Ecken hinuntersah, die nicht so waren, wie wir sie gebaut hätten – Straßen, die in einer Weise endeten oder sich drehten, die immer noch fast schmerzhaft fremdartig erschienen und mit unseren Teleologien herumspielten –, konnte ich nicht umhin, mich zu entsinnen, wie ich in meinem früheren Leben an ihnen entlanggeblickt und jene »Außer Sicht«-Gastgeberstadt systematisch mit jeder Art von kindlicher Unmöglichkeit und Märchengeschichte bevölkert hatte. Daran schloss sich ein rascher Durchlauf von allem an. Lernen, Sex, Freundinnen, Arbeit. Ich habe niemals die Aufforderung verstanden, nichts zu bereuen, und habe das immer als Feigheit angesehen. Doch ich bereute nicht nur das Außen nicht, sondern plötzlich auch nicht die Rückkehr. Noch nicht einmal Scile. Als ich meine Aufmerksamkeit löste und sie durch die »Außer Reichweite«-Straßen wandern ließ – die ich zuvor als Yantras für Rückerinnerungen vermerkt hatte –, war es nicht so, dass ich gut über meinen Mann dachte; vielmehr erinnerte ich mich in jenen Augenblicken an das, was ich an ihm geliebt hatte.
Mit all dem ging ich sparsam um, rationierte es. Wir pflegten unseren Äoli. Die armen Dinger waren verlegt worden. Ihre fleischlichen Haltegurte hatte man abgeschnitten und abgeätzt. Das Trauma war so gering wie möglich gehalten worden, doch sie litten. Wir besaßen keine Terretech, die sie hätte ersetzen können; und unsere Luft-Gärtner schützten hektisch ihre Biome und die mit ihnen verbundenen Dinge, die Ströme formten und unsere raue Luftkuppel aufrechterhielten. Die Luft-Gärtner strengten sich an, sie sicher und vollkommen taub zu
Weitere Kostenlose Bücher