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Stadt der Fremden

Titel: Stadt der Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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uns zu einer Hafenstadt machen«, erklärte ich.
    »Der letzte Hafen vor der Dunkelheit«, ergänzte Wyatt.
    Botschaftsstadt würde sich möglicherweise zu einer kilometerweiten Ausbreitung von Bordellen, Kneipen und Orten für all die anderen Laster von Reisenden entwickeln. Ich war an zu vielen Plätzen dieser Art im Außen gewesen. Dann hätten wir vielleicht unsere eigenen Straßenkinder, die auf städtischen Halden Lebensmittel einsammelten und den Abfall durchwühlten. Das war jedoch nicht unausweichlich. Es gab Möglichkeiten, Hafendienstleistungen bereitzustellen, ohne dass das gesamte Gemeinwesen zusammenbrach. Ich war in etlichen gesunden Zwischenlandungsstädten gewesen. Doch es wäre ein Kampf.
    Eine Quelle von großartiger, halb lebendiger Technologie zu kontrollieren, von Kuriositäten, von kostbaren Metallen mit fast einzigartigen Molekülstrukturen, das hätte erstrebenswert sein können. Den letzten Außenposten zu kontrollieren, den Ausgangspunkt zu einer sich ausdehnenden Grenze, das war nicht verhandelbar.
    »Was ist da draußen?«, fragte ich.
    Wyatt schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Du solltest es besser wissen als ich, Immer-Eintaucherin, und du weißt überhaupt nichts. Aber etwas ist da. Es gibt immer etwas.« Im Immer gab es stets etwas. »Warum gibt es hier einen Pharos?«, fuhr er fort. »Man errichtet nicht dort einen Leuchtturm, wohin niemand reist. Man errichtet ihn an irgendeinem gefährlichen Ort, wohin man reisen muss. Es gibt Gründe, in diesem Quadranten vorsichtig zu sein, doch es gibt Gründe herzukommen – um durchzureisen auf der Strecke nach sonst wo.«
    »Sie werden kommen«, erklärten MagDa. »Bremen.« »Um zu sehen, wie sie sich machen.« »Ez und Ra, meine ich. Um nach ihnen zu sehen.« Sie schauten sich gegenseitig an. »Möglicherweise müssen wir nicht so lange auf sie warten.« »Wie wir gedacht hatten.«
    »Mehr als fünf verdammte Tage sind jetzt zu lang«, meinte jemand. »Wir sind am Ende.«
    »Ja, aber …«
    »Was, wenn wir …«
    Wyatt war ein kluger Mann, der sein Blatt falsch ausgespielt hatte und jetzt versuchte, noch etwas zu retten: zumindest sein Leben. Er hatte uns alles erzählt – und zwar nicht aus Verzweiflung, wie es erscheinen mochte, sondern als ob er sich auf ein Glücksspiel einließ oder eine Strategie verfolgte. Wir schauten auf das Glas, das uns von Ez trennte. Ez hob seine Augen und sah in die unseren – in alle unsere –, als ob er wüsste, dass wir ihn erstaunt anblickten.

18
    Gruppen von Ariekei waren auf ihren Hausdächern und zwischen toten Gebäuden; in bewaffneten Banden streiften sie umher: alles Strategien, um sich selbst vor den verstümmelten Tobenden zu schützen. Überall gab es tote Ariekei und hier und da die Überreste von Kedis, Shur’asi und Terre-Wesen, die aus Gründen, die jenseits unseres Vorstellungsvermögens lagen, von ariekenischen Mördern herumgeschleppt wurden. Rudel von Zellen schweiften umher; sie waren hungrig nach Nahrung und EzRas Rede. Verlassen von ihreneinstigen Besitzern, waren sie verwildert, jedoch unfähig, für sich selbst zu sorgen.
    Es war keine Stadt mehr, es war eine Ansammlung von ruinierten Orten, die durch einen Krieg ohne Politik und Übernahmen voneinander getrennt worden waren – also überhaupt nicht wirklich durch einen Krieg, sondern durch etwas Krankhafteres. In jedem Widerstandsnest versuchten ein paar Ariekei die Lebewesen zu sein, an die sie sich erinnerten. Doch sie konnten sich jeweils nur für Stunden konzentrieren, bevor die Entsprechung des Delirium tremens sie überwältigte. Ihre Gefährten flüsterten dann Wörter, die sie EzRa sagen gehört hatten, zu jedem aus ihrer Gruppe, der dem Leiden nicht standhielt. Sie versuchten sogar, die Klangfarben der Stimmen des Botschafters nachzuahmen. Es waren nur Wörter, nur Sätze. Manchmal kehrten die geistigen Fähigkeiten der in Zuckungen Liegenden ansatzweise zurück: genug, um sich zu entsinnen, dass etwas wiederaufgebaut werden musste.
    Zwischen diesen restlichen Siedlungen verharrten die wahrhaft Geistlosen, die noch nicht einmal wussten, dass sie zitterten, wenn dies der Fall war, die nur auf der Jagd nach Essen und der Stimme von EzRa waren – und die sich gegenseitig jagten. Die Selbstverstümmelten wurden jedoch plötzlich seltener. Ich fragte mich, ob sie im Sterben begriffen waren.
    Stellenweise mussten wir unsere Barrieren zurückziehen und Teile von Botschaftsstadt den Redies überlassen. Zur selben Zeit

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