Stadt der Fremden
härtere Fälle. Sie können wie jedes andere Paar aussehen. Es ist vorher schon geschehen, in unterschiedlichen Graden. Wir hatten einen Kollegen, als ich in der Ausbildung war. WilSon. Was auch immer für ein vernetztes Bewusstsein hinterihrer Sprache war: Für die Gastgeber musste es ein wenig außerhalb dessen liegen, was für sie zu verstehen war. Ein winziges bisschen. Nichts, was ich hören konnte, doch die Gastgeber … nun. Wir machten unsere Examina. Wir wurden von anderen Botschaftern und Personalangehörigen geprüft, und bei unserem letzten praktischen Test mussten wir zu einem Gastgeber sprechen. Er wartete. Ich weiß nicht, was er glaubte, was er da tat, und wie sie ihn um Hilfe gebeten hatten. Hallo , sagten WilSon, als sie an der Reihe waren. Sofort können wir erkennen, dass etwas nicht richtig ist. Daran, wie sich der Ariekei bewegt. Jedes Mal, wenn sie mit uns reden, kosten sie unsere Bewusstseine, und wir sind fremd . Das ist also aufregendes Zeug. Doch wenn die zwei Hälften eines Botschafters … nicht ganz eng genug miteinander verwickelt sind? Nicht zwei zufällige Stimmen, sondern nah genug, um Sprache zu reden, sodass sie es begreifen. Doch verkehrt? Zerbrochen?«
Ich sagte nichts.
»Du weißt, was Sprache für sie ist«, sagte Bren. »Was sie durch die Wörter hören. Wenn sie also Wörter hören, die sie verstehen, wenn sie wissen, dass es Wörter sind – dies aber zerbrochen ist? Botschafter sprechen in empathischer Eintracht. Das ist unsere Aufgabe. Was, wenn diese Eintracht da ist und nicht da ist?« Er hielt inne. »Es ist unmöglich – das ist es! Dennoch ist es da. Und das ist berauschend. Und sie nehmen es als Droge. Es ist wie eine Halluzination, ein ›Da-nicht-da‹. Ein Gegensatz, an dem sie sich berauschen, durch den sie high werden. Vielleicht nicht alle von ihnen. Jeder Gastgeber, zu dem WilSon sprachen, wusste, dass irgendetwas merkwürdig war, und ein paar von ihnen …« Er zuckte mit den Schultern. »… wurden betrunken. Wegen ihrer Wörter. Egal, was WilSon sagten. Ist es nicht ein schöner Tag? Reichen Sie bitte den Tee. Jeder beliebige Satz. Die Gastgeber hörten es, und einige von ihnen gerieten in Verzückung – und einige von ihnen wollten es wieder und wieder hören.«
»Botschafter sind Redner, und diejenigen, denen ihre Rede geschieht, sind Redies «, erklärte Bren zu guter Letzt. »Redies sind Süchtige. Zugedröhnt von der Sprache eines Botschafters.«
Draußen rannten Leute durch die Straßen: ein angsterfülltes Volksfest. Man hörte Feuerwerk. Bren schenkte mir nach.
»Was geschah mit ihnen?«, fragte ich.
»WilSon? Sie wurden unter Quarantäne gestellt und sind dann gestorben.« Er trank aus seinem Glas. »Jeder respektiert mich, doch das hindert sie nicht daran, mich zu hassen. Ich verstehe das. Sie sehen nicht gerne meine Wunde.« Er schrieb seinen Namen in die Luft – seinen ganzen Namen, sieben Buchstaben: Bren Dan . Es hatte eine Zeit gegeben, da er BrenDan gewesen war – oder richtiger: bren | dan . Dann hatte seinen Doppel der Tod ereilt, und er war Bren Dan – bren | dan – geworden. Seinen eigenen Namen konnte er nicht korrekt sagen.
Eine lange Zeit sah mich Bren Dan nachdenklich an. Er ging zu einem Tisch. »Ich möchte dir etwas zeigen.«
Er warf mir eine flache Schachtel zu. Darin lagen zwei Verbindungselemente. Das von ihm und das von seinem Doppel Dan. Ich musterte die filigranen Stromkreise, die Drähte und Kontakte, die mit großer Sorgfalt eingeritzten Initialen und Silberblätter. Ich schaute ihn an und konnte die winzigen Narben in seinem Nacken sehen, wo sein Verbindungselement eingebettet gewesen war.
»Was denkst du gerade?«, fragte er. »Denkst du, dass ich sie aufbewahre, damit sie griffbereit sind? Denkst du, dass ich sie verstecke, um zu versuchen, sie zu vergessen? Avice. Wenn ich seines weggeworfen und meines behalten hätte, kämest du auf den Gedanken, ich würde mich an meine tote Identität klammern oder ihm seinen Tod verübeln. Wenn ich sie beide weggeworfen hätte, würdest du glauben, ich verschlösse die Augen vor der Wahrheit. Wenn ich seine behalten hätte, aber nicht meine, würdest du sagen, ich weigerte mich, ihn gehen zu lassen. Es gibt nichts, was ich tun kann, ohne dass du es in dieser Weise deuten würdest. Es ist nicht dein Fehler. Du kannst daran nichts ändern, so sind wir nun mal. Was auch immer ich tue, es wird die eine oder die andere Geschichte sein.«
(Später – das
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