Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Stadt der Fremden

Titel: Stadt der Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
Vom Netzwerk:
existierte. Sie machten mir Hoffnung, und das hatte ich nicht erwartet.
    Die Gastgeber hatten eine einfache, einzige Priorität, wie es schien. Ich war niemals ein Dummkopf: Ich hatte gewusst, dass es unter ihnen Lager, Feindseligkeiten und Kämpfe geben muss, bevor ich jenes blutige Ergebnis einer dieser Auseinandersetzungen sah. Wie paradox, dass diese Erinnerung gerade in jenem Moment in mir aufstieg, da überhaupt keine unterschiedlichen Ziele bei den Gastgebern zu bemerken waren und sich alles einer einzigen, unerbittlichen Tagesordnung unterwarf: Zuerst werden wir jetzt EzRa reden hören.
    Ez trat vor, dann Ra mit Widerwillen. Sie sahen sich mit sehr unterschiedlichen Empfindungen gegenseitig an, diese zwei ungleichen Männer. Sie flüsterten. Sie redeten gemeinsam Sprache und versetzten die Gastgeber in Verzückung.

11
    Als es anfing, schienen jene Zeiten ein einziges Durcheinander zu sein, doch durch die erstaunlichen Bemühungen der besseren Personalmitarbeiter entwickelte sich eine Art von Leben. Sogar Routinen. Es ist erschütternd, wie schnell eine ganze Stadt dazu gebracht werden kann, sich zu ändern.
    Handel, all die Aspekte und Einzelheiten des Austauschs: Wissen, Dienstleistungen, Güter, Versprechungen und Nebenkosten. Unsere Kultur. Die Art, wie wir lebten. Alle diese Dinge mussten festgelegt werden.
    Es gab eine gefährliche Aufgeregtheit – ein Amoralismus, der sich in kleinen Grausamkeiten und großer Schwelgerei manifestierte, denen sich einige hingaben, während andere sich darum bemühten, die Dinge zum Funktionieren zu bringen. Wenn man in den ersten Wochen zur Botschaft kam, wurde sie wahrscheinlich bewacht, vielleicht aber auch nicht. Es kam vor, dass Besprechungsräume und Galerien nicht gereinigt waren und dort der Müll von Partys noch herumlag. Ich fand keinen Gefallen an Verfehlungen. Ich wusste, dass der ausgekotzte Rotwein nicht erbrochen worden war, um etwas zur Schau zu stellen, und man hatte ihn auch nicht zurückgelassen, damit er als libertinäre Darbietung verrottete, sondern weil jene Feiernden die ariekenische Forderung gesehen oder von ihr gehört hatten. Jene Leute konnten sich einfach nicht vorstellen, wie wir weitermachen könnten oder was passieren würde, wenn uns die Erfüllung dieser Forderung misslänge. Und so wussten sie nicht, ob sie noch eine weitere Woche leben würden, und hatten sich noch nie zuvor so geängstigt.
    Ehrsul reagierte nicht auf meine Anrufe. Ich war so übermannt von den Ereignissen, dass ich meine Versuche nicht fortsetzte und Ehrsul auch nicht aufsuchte, wie es eine gute Freundin vielleicht hätte tun sollen. EzRa waren auf einigen Feiern, wie ich von anderen hörte, dann sah ich sie selbst. Nach kurzer Zeit war nur noch Ez auf den Orgien zum Zeitenwechsel; Ra machte andere Sachen.
    Es gab Verabredungen und den Zusammenbruch von Beziehungen. Es gab viele Hochzeiten. Ich selbst hatte hastige Liebesverhältnisse. Es ist wirklich schwierig, über diese ersten Tage zu reden. Die Helden, die dafür sorgten, dass Botschaftsstadt nicht von aufdringlichen süchtigen Gastgebern hinweggefegt wurde, waren die Büroangestellten, die Strukturen aufbauten, während der Rest von uns es kaum schaffte, nicht auseinanderzufallen. Ein wenig später wurde ich wieder zu etwas, zu etwas Wichtigem für Botschaftsstadt, doch bis dahin gab es mich nicht.
    In jenen Tagen fühlte sich Botschaftsstadt so klein an, wie es sich stets für mich angefühlt hatte. Es vergingen keine zwei Tage, ohne dass ich bei irgendeiner Versammlung Leuten begegnete, die ich seit Tausenden von Stunden gemieden hatte. Burnham, ein Simile aus einer lange zurückliegenden Zeit, fiel mir ins Auge, als er am anderen Ende einer Menge stand, die sich aufgrund eines blödsinnigen Gerüchts versammelt hatte, an den Botschaftstoren würden bald Informationen preisgegeben. Er schaute genauso sorgfältig fort wie ich: wie ich es jedes Mal getan hatte seit dem Tod von Hasser und Valdik, seit der Zeit lange vor dieser neuen Katastrophe, wann immer ich ihm oder Shanita oder irgendeinem aus der verstreuten Krawatten -Bande zufällig begegnet war.
    Ich schlenderte durch Botschaftsstadt, während öffentliche Bedienstete Tabletten schluckten, um wach zu bleiben und Pläne auszuarbeiten, damit sie uns am Leben erhielten. Mehr als einmal begegnete ich zufällig alten Freunden: Gharda und Simmon, dem Wächter. Er hatte nichts zu bewachen. Er war verängstigt: Seine bio-fabrizierte Prothese schien krank zu

Weitere Kostenlose Bücher