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Stadt der Fremden

Titel: Stadt der Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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übernächste Mal, als ich mit ihm zusammen war, denn ich kam zunächst wieder zu ihm und danach suchte er mich auf – offenbarte er mir: »Ich schaue auf jenes Verbindungselement, und dann hasse ich ihn.«
    Ich erwiderte nichts darauf. Was konnte ich sagen? Wir saßen auf dem Sofa in meinem Quartier, das nicht annähernd so prächtig war wie das von Bren.
    »Ich weiß nicht, wann es anfing«, sagte er. »Eine lange Zeit glaubte ich, dass ich ihn hasste, als er starb, weil er starb, der arme Kerl. Jetzt glaube ich, dass es früher angefangen haben könnte. Du darfst mich deswegen nicht tadeln.« Er klang plötzlich wehleidig. »Ich bin mir sicher, dass er mich ebenfalls hasste. Es war keiner von unseren Fehlern.«)
    »Sie müssen geahnt haben, was passieren würde, weißt du«, fuhr Bren fort. »Die Botschafter. Diejenigen, die auch sonst Eigentümlichkeiten zeigten, schienen stets die zu sein, denen es am leichtesten passierte … dass ihre Sprache auseinanderlief … gerade genug, damit ein paar Ariekei zu Redies wurden. Das waren diejenigen, die man in Verwahrung nahm. Unruhestifter anderer Art verschwanden einfach oder tauchten bei den Einheimischen unter.«
    »Du glaubst, sie wussten es?«, hakte ich nach. »Und wer tauchte unter?«
    »Sie müssen gehofft haben, dass EzRa eine Droge sind«, erklärte Bren. »So würden sie auf ein oder zwei der Gastgeber eine Wirkung haben und wären dann nicht mehr einsetzbar. Ein Denkzettel für Bremen. Sie alle waren sehr besorgt darüber, was dahintersteckte, was für Pläne da durchgezogen werden sollten, seitdem sie gehört hatten, dass EzRa kommen würde.«
    »Ich weiß«, sagte ich. »Aber Bremen muss auch davon gewusst haben, wenn dies früher schon geschehen ist. Warum hätten sie die beiden schicken sollen?«
    »Sie wussten von den Redies, meinst du? Warum sollten wir Bremen davon erzählen? Ich weiß nicht, was sie im Sinn hatten, aber das – EzRa sprechen zu lassen – war der Gegenschlag der Botschaft, wie ich glaube. Nicht dass sie so etwas erwartet haben. Nicht in diesem Ausmaß. Sprache wie die der beiden, für alle zu hören und doch so unmöglich, so aufputschend, dass EzRa tatsächlich jeden einzelnen Gastgeber angesteckt haben. Und jeder von ihnen sagt es weiter. Alle sind süchtig nach dem neuen Botschafter.«
    Unser alltägliches Pantheon war hilfsbedürftig geworden, verlangte verzweifelt nach einer Dosis von Ez und Ra, die zusammen redeten und Sprache zu irgendeinem unverzichtbaren Gebräu aus Widerspruch, Anspielung und ungebundener Bedeutung gären ließen. Wir waren in einer Stadt der Süchtigen einquartiert. Jene Prozession, die ich gesehen hatte, war ein Flehen gewesen.
    »Was geschieht jetzt?«, fragte ich.
    Es war sehr ruhig im Zimmer. In der Stadt gab es Hunderttausende von Ariekei. Vielleicht Millionen. Ich wusste es nicht. Wir wussten fast gar nichts. Ihre Köpfe waren ganz aus Sprache gemacht. EzRa sprachen es und veränderten es. Überall wurde jeder Gastgeber fest mit dem Bedürfnis verdrahtet, für das Gequatsche eines vor Kurzem ausgebildeten Bürokraten alles zu tun.
    »Süßer Jesus Pharotekton Christus, erleuchte unseren Weg!«, entfuhr es mir.
    »Es ist«, stellte Bren fest, »das Ende der Welt.«

10
    Die Ariekei ließen uns wissen, wie es sein würde. Ich war dieser Zeit voraus, doch es dauerte nicht lange, bis auch der Rest der Botschaftsstädter verstand, dass die Gastgeber Junkies waren, obschon sie wohl nicht gewusst haben dürften, wie oder warum das so war. Ich vermute, es gab einen Machtkampf in der Botschaft, dass einige aus Gewohnheit und ohne Begründung versuchten, Informationen zurückzuhalten. Sie hatten keinen Erfolg.
    Auf den Straßen von Botschaftsstadt herrschte ein Zustand irgendwo zwischen Karneval und Apokalypse: Endzeitstimmung, Hysterie, Glückseligkeit oder eine überdrehte Annäherung an diese. Polizisten nahmen Leute fest, die entschlossen auf die Stadtgrenze zugingen, in Bio-Fabrikaten, die möglicherweise die Luft der Gastgeberstadt für sie atembar machten.
    »Sie gehen nirgendwohin!«, befahlen die Beamten. »Legen Sie das ab. Leute sterben …« Aber einige Möchtegern-Reisende mussten hindurchgekommen sein. Botschaftsstädter, die etwas von den Gastgebern wollten. Doch das war sinnlos – die Ariekei nahmen sie nicht als Personen wahr, sondern als das Fleischeigentum von Botschaftern.
    Ich konnte mich wieder zur Botschaft durchschlagen. Als ich sah, wie die Botschafter vorbeihuschten, empfand ich

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