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Stadt der Schuld

Stadt der Schuld

Titel: Stadt der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Ruth Landys
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Gespräch schien bei Havisham ganz plötzlich erloschen zu sein, als ob ihn irgendein anderer Gedanke über die Maßen beschäftigte. Was sollte nur diese seltsame Ankündigung? Es klang fast, als stünden weitreichende Veränderungen ins Haus, Veränderungen, die die Herrschaft betrafen. Beunruhigt blickte er seinem Arbeitgeber ins Gesicht. Doch der wandte sich plötzlich ab und ließ seinen Blick wieder aus dem Fenster wandern. Gruber erhob sich. Offenbar war das Gespräch nun beendet. »Dann werde ich das Entsprechende in die Wege leiten, Sir. Es wäre vielleicht günstig, wenn ich heute den letzten Gedenkgottesdienst für Mr de Burgh, der für die Dorfbewohner und Angestellten des Guts abgehalten werden soll, dazu nutze, um die Leute von den erfreulichen Nachrichten in Kenntnis zu setzen.«
    »Ja, tun Sie das nur, Gruber. Sie machen das schon richtig.«
    »Sie werden doch auch anwesend sein, Sir?«
    Havisham schreckte ein wenig hoch, als wären seine Gedanken schon weit fort gewesen.
    »Ja, ich hatte es vor. Ich denke, das erwarten die Leute. Meine Frau und ihre Verwandtschaft, der Earl und seine Gattin, wollen ebenfalls teilnehmen.«
    Gruber räusperte sich. »Gut! Dann empfehle ich mich jetzt, Sir.«
    »Ja.«
    Gruber machte einen Schritt zur Tür.
    »Mr Gruber?«
    »Ja, Sir?«
    »Sagen Sie, glauben Sie, dass ein Mensch sich ändern kann?«
    »Warum nicht, Sir?«
    Havisham sah ihn nicht an, sondern starrte unverwandt aus dem Fenster. »Ja, warum nicht, Gruber?«, flüsterte er. »Warum auch nicht?«
    ***
    Der Tee wurde deutlich früher als sonst und im kleinen Salon gereicht, schließlich war um halb fünf Uhr der Gedenkgottesdienst im Dorf angesetzt worden. Das Tischgespräch wurde eindeutig von den Frauen dominiert, vielmehr von Lady Branford, die ob ihrer flinken Zunge kaum dazu kam, sich den hübsch aufgestapelten Buttercakes zu widmen, genauso wenig wie den Thunfischsandwiches. Die beiden Männer, der Earl und Havisham, hatten sich ohnehin nicht viel zu sagen, sprachen dafür aber den Köstlichkeiten umso stärker zu, zumindest der Earl. Dem Hausherrn schien dagegen seit einigen Tagen sein sonst recht guter Appetit abhandengekommen zu sein. Der Earl misstraute diesem emporstrebenden Bürgerlichen, der zu allem Überdruss auch noch Abgeordneter der Whig-Partei im Unterhaus war. Wie hatte Francis, dieser Narr, seine Tochter nur so einem dahergelaufenen Geldsack überlassen können? Aber man sollte über Tote ja nicht schlecht reden und es war nun einmal, wie es war: Der Kerl gehörte zur Verwandtschaft und das Schicksal Whitefells würde fürderhin von den künftigen Erben dieses Mannes, so er denn noch welche zustande bringen sollte, gelenkt werden. Bedauerlich, aber leider nicht zu ändern. Also konnte man sich ebenso gut damit abfinden.
    Der Earl strich sich gedankenverloren über den breiten, weißen Schnauzbart und wandte den Blick seiner nunmehr verwaisten Nichte zu, die sich überaus interessiert am Geplauder seiner Frau zeigte. Er war inzwischen geneigt, ihr die furchtbare Entgleisung im Hause von Lord Blinsted zu verzeihen. Warum sollte er ihr das ewig nachtragen? War es nicht Christenpflicht für ihn – oder vielmehr für seine Gattin –, sich der jungen Frau ein wenig anzunehmen? Der Ehemann zeigte jedenfalls recht wenig Interesse an de Burghs Tochter. Vermutlich war es ihm nur um das Gut gegangen, ohne das sein Einzug ins Parlament auch nicht so leicht vonstattengegangen wäre. Natürlich!
    Und das Kind hatte es ja auch wirklich schwer gehabt. So früh die Mutter zu verlieren, dann den Bruder und nun auch noch den Vater ... Immerhin hatten seine eigenen Töchter ja auch recht eigenwillige Vorlieben und Verhaltensweisen an den Tag gelegt und Isobel schien sich überdies auch ehrlich um eine Verbesserung der verwandtschaftlichen Beziehungen zu bemühen. Jedenfalls hatte sie es in den vergangenen Tagen nicht an Aufmerksamkeit für ihn und seine Gattin fehlen lassen. Man weilte schon seit der Grablegung von Francis de Burgh auf Whitefell. Eine Pflicht, da sich schließlich nur einer seiner Söhne nebst Gattin auf der Beerdigungsfeier im Familienkreis gezeigt hatten. Es war dem Earl recht unangenehm gewesen, dass Mary-Ann und ihr Gatte, dieser Schwachkopf Fountley, es offenbar nicht hatten möglich machen können, zu den Trauerfeierlichkeiten anzureisen. Dabei wäre sie das ihrem Onkel doch nun wirklich schuldig gewesen, auch wenn Francis de Burgh keinen Titel hatte. Er würde mit den beiden deshalb

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