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Stadt der Schuld

Stadt der Schuld

Titel: Stadt der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Ruth Landys
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Sir.«
    »Sie haben es sich wirklich verdient, Gruber«, sagte Horace Havisham mit einem flüchtigen, nervösen Lächeln, bevor sein Blick wieder abschweifte, hinaus auf die verschneiten Ebenen, die das Herrenhaus umgaben. Gruber runzelte die Stirn. Vielleicht war es doch nicht der rechte Zeitpunkt, sein Anliegen vorzutragen. Schließlich handelte es sich nicht gerade um unwesentliche Belange. Darüber hinaus schien die Gemütsverfassung Horace Havishams mit einem Wort besorgniserregend. Gruber warf seinem Herrn einen prüfenden Blick zu. Niemand konnte ihm erzählen, dass dies allein dem Tode des früheren Gutsherrn geschuldet war, der vor drei Tagen, mit allen Ehren bestattet, in der familieneigenen Gruft auf Whitefell seine letzte Ruhe gefunden hatte. Was trieb Horace Havisham nur um?
    Doch dann gab Gruber sich einen Ruck. Die Sache musste einfach besprochen werden, wenn nicht jetzt, wann dann? »Sir, das Gut wirft ja nun sein einiger Zeit wieder einen guten Gewinn ab. Die Ernte dieses Jahr war erfreulich, der Kornpreis ist stabil ...«
    »Fragt sich nur, wie lange noch, Gruber. Ich denke, dass die Schutzzölle für Getreide in absehbarer Zeit im Orkus der Geschichte landen werden – und das zu Recht, möchte ich anfügen.«
    »Das mag durchaus sein.« Gruber verkrampfte sich ein wenig. Doch wenigstens zeigte die rasche Antwort, dass das Interesse seines Herrn am Tagesgeschehen nicht ganz verloren gegangen war. »Dürfte ich mich setzen, Sir?«
    Havisham gewährte es ihm mit einer einladenden Geste. Gruber setzte sich erleichtert auf den freien Sessel, der dem seines Arbeitgebers gegenüberstand. So war das, was er nun vorzubringen gedachte, doch eher wie ein Gespräch anzusehen und nicht wie eine unterwürfige Bitte, obwohl es genau das war.
    »Sir, obwohl das Gut prosperiert, sind die Löhne, die Sie den Angestellten und Landarbeitern zahlen, im Vergleich zu den Gütern in der Umgebung doch vergleichsweise niedrig. Ich habe das einmal überprüft. Ich denke, es wäre vielleicht angebracht ...« Er zögerte. Sollte er es wirklich wagen? Der Herr und nunmehr rechtmäßige Erbe von Whitefell war nun mal ein kühler Rechner – das glaubte er zu wissen.
    Doch dieser richtete plötzlich seine graublauen Augen aufmerksam auf ihn. »Sie haben völlig recht, Gruber.«
    »Wie?«
    »Nun, Sie haben recht damit, dass die Leute hier einen angemessenen Lohn für ihr Tun erhalten sollten. Es tut mir wirklich leid, dass ich Sie nicht schon viel früher angewiesen habe, die Löhne wieder heraufzusetzen. Ein wirkliches Versäumnis meinerseits. Was denken Sie? Eine Erhöhung um drei Schillinge in der Woche für die männlichen Angestellten und zweieinhalb für die weiblichen, wäre das ausreichend? Ach ja, und jedem der Landarbeiter soll zusätzlich ein größerer Anteil an der Ernte und das Recht zum Holzschlag für den Eigenbedarf in den Wäldern des Gutes eingeräumt werden.«
    Gruber blieb der Mund offen stehen. »Sir … äh ... ja, ich denke, das ist auf alle Fälle ausreichend. Die Leute werden hocherfreut sein, das zu hören«, stotterte er.
    »Sie werden deshalb sicher noch mit Mr Finley sprechen wollen. Ach, und die Pächter ...«, setzte Havisham sinnierend fort. »Auch die Pacht erscheint mir bei näherer Betrachtung recht hoch auf Whitefell. Wir sollten von den Bauern nicht zu viel fordern, das schürt nur Unmut.« Gruber nickte fassungslos. »Setzen Sie sie herab. Sagen wir um fünfeinhalb Prozent. Meinen Sie, dass das machbar ist, ohne die Gutseinnahmen zu sehr zu belasten?«
    »Ich denke, das wird sich ohne Weiteres bewerkstelligen lassen, Sir.«
    »Schön! Und wenn wir gerade dabei sind, können Sie Ihr Jahresgehalt ebenfalls erhöhen, oder sagen wir: Ich räume Ihnen einen Erfolgsbonus ein. Fünfzig Pfund? Wäre Ihnen das genehm?«
    Gruber kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. War das noch Horace Havisham, der da vor ihm saß? »Sir, das ist nicht notwendig. Sie bezahlen mich bereits sehr gut.«
    Havisham beugte sich nach vorn und sah ihm gerade in die Augen. »Mag sein, Gruber. Aber ich schätze das, was Sie für das Gut und für die Menschen hier tun, sehr hoch ein. Ich möchte meinen Dank damit zum Ausdruck bringen, verbunden mit der Hoffnung, dass Sie Whitefell, unabhängig davon, was die Zukunft noch bringen mag, weiterhin so umsichtig und geschickt verwalten werden, wie Sie es in den vergangenen zwei Jahren getan haben.«
    »Sir?«
    Gruber wartete vergebens auf eine Reaktion. Das Interesse an ihrem

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