Stadt der Schuld
Ziegelgebäudes vibrierte in der stinkenden Luft. Die Schicht hatte zwar schon seit einiger Zeit gewechselt, aber noch immer standen etliche der Arbeiter in der Nähe der Tore und unterhielten sich. Es drängte sie nicht nach Hause, falls man die Rattenlöcher, in denen die meisten von ihnen hausten, überhaupt als solches bezeichnen konnte. Viele zogen es vor, ihre Freizeit gemeinsam in irgendwelchen Arbeiterschenken zu verbringen und den kärglichen Lohn in Alkohol umzusetzen. In einem Pulk von Arbeitern entdeckte Aaron plötzlich Tom Clarke, der – wie immer großmäulig irgendwelche Zoten zum Besten gebend – die Umstehenden dazu brachte, in dreckiges Gelächter auszubrechen. Aaron hatte sich wirklich darauf gefreut, nicht mehr mit Tom Clarke zusammenarbeiten zu müssen. Nun, das blieb ihm jetzt jedenfalls erspart – so oder so. Er verzog die Lippen zu einem bitteren Lächeln und wollte sich gerade auf den Heimweg machen, als ihn plötzlich ein übler Verdacht innehalten ließ. Tom war mehr als eifersüchtig gewesen, als Priestley und Wheaton sich für ihn, Aaron, eingesetzt hatten. Die letzten Tage hatte er sich buchstäblich übertroffen, was Widerwärtigkeit und Gemeinheit anging, falls das überhaupt noch möglich war. Ob es Tom gewesen war, der irgendwelche Gerüchte über ihn in Umlauf gebracht hatte? Das war eine vergleichsweise leichte Übung. Man musste nur irgendwo an geeigneter Stelle fallen lassen, dass jemand Kontakt zu diesen neuartigen und von den Arbeitgebern massiv bekämpften lokalen Gewerkschaften oder gar zu den berüchtigten Chartisten in der Stadt hatte und schon stand derjenige auf der Abschussliste. Ja, so musste es gewesen sein. Tom hatte ihn angeschwärzt. Nichts anderes konnte der Grund für Mr Ashworths plötzlichen Stimmungswandel sein. Der hatte es ihm ja gesagt: Ashworth zweifelte an seiner Loyalität. Lächerlich! Von welcher Loyalität sprach der Mann? Wie sollte man Loyalität gegenüber einem Leuteschinder empfinden? Dennoch – Tom würde dafür bezahlen!
Dieses miese Schwein! Er würde ihn lehren, was es hieß, Lügen über einen anderen zu verbreiten. Aaron spürte mit einer seltsamen Befriedigung, wie die enorme Hitze seiner ohnmächtigen Wut jäh in seine Glieder, in seine Fäuste fuhr. Im nächsten Moment rannte er über den Hof, drängte sich rücksichtslos durch die schwatzenden Männer, die erschrocken auseinanderwichen. Wütende Rufe gellten hinter ihm her, doch er hörte sie nicht, es war ihm ohnehin gleichgültig. Dann hatte er Tom erreicht. Der drehte sich um, wie immer dieses widerliche Grinsen im Gesicht, das er hasste hasste!
Seine Faust fuhr mitten hinein. Er fühlte mit Gewissheit, dass er dem Mann mindestens zwei Zähne ausgeschlagen haben musste. Gut so!
Aaron stürzte sich auf ihn und riss ihn nieder. Ein Schwall von Blut, den Tom ihm entgegenspuckte, traf ihn in die Augen und nahm ihm kurzzeitig die Sicht, was Tom Gelegenheit gab, ihn seinerseits zu packen. Rasch bildete sich eine Traube von Männern um die beiden miteinander ringenden Kontrahenten. Tom war nicht allzu beliebt, doch ein Teil der Männer schlug sich doch auf seine Seite und feuerte ihn an, während die anderen Aaron den Vorzug gaben.
»Gibs ihm, Clarke!«
»Vorsicht, Stanton!«
Aaron sah sofort das Messer in Toms Hand aufblitzen. Aufpassen! Er musste aufpassen – schneller sein! Schlagartig wurde der Kreis, den die Arbeiter um die beiden Kämpfenden gebildet hatten, größer. Tom stach wutentbrannt nach seinem Angreifer. Doch er war zu langsam, zu schwerfällig. Geschickt wich Aaron ihm aus. Die Männer starrten atemlos. Das war ein Kampf! Wie würde sich Stanton gegen die Stichwaffe verteidigen? Ein zweites Messer flog aus der Menge in den Kreis. Aaron trat es rasch beiseite. Er würde Tom mit bloßen Händen niedermachen. Ja, das würde er tun! Tom stürzte erneut auf ihn zu, das Messer in der rechten Hand, bereit zuzustechen, seine Brust zu treffen. Aaron konzentrierte sich. Er musste unbedingt Toms Arm rechtzeitig zu packen bekommen. Mit einer geschmeidigen Bewegung sprang er zur Seite, ergriff den Arm seines Gegners und drehte ihn auf dessen Rücken. Die Schneide des hochragenden Messers schlitzte ihm dennoch breit durch das Hemd und in die Haut. Ein scharfer Schmerz unterhalb des linken Rippenbogens durchfuhr ihn, doch er bemerkte es kaum. »Lass es fallen!«, zischte er dicht an Toms Ohr.
»Nein!« Tom knirschte mit seinen restlichen, ihm verbliebenen Zähnen. Blut und
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