Stadt der Sterne strava2
während Herzog Niccolò im Stall war. Sie und Cesare waren ungefähr gleich groß. Entweder war er klein für sein Alter oder die Jungen aus Talia waren nicht so groß wie die im einundzwanzigsten Jahrhundert.
Paolo sah Georgia kritisch an. »Jetzt siehst du schon eher wie ein Bursche aus Remora aus«, sagte er. »Obwohl die Leute sich immer noch darüber wundern werden, dass ein Junge mit den Kleidern eines Stallburschen Silberschmuck trägt.«
»Aber ich bin ja auch nicht aus Remora«, erwiderte Georgia. »Und ich verstehe immer noch rein gar nichts von Ihrer Stadt und diesem Rennen, das so wichtig zu sein scheint. Und Sie haben mir auch noch nicht genug von den Stravaganti erzählt.«
»Dafür ist später immer noch Zeit«, sagte Paolo. »Zuerst musst du lernen dich in der Stadt zurechtzufinden. Wenn es bei deiner Stravaganza so zugeht, wie wir es von den letzten Reisenden aus deiner Welt wissen, dann musst du bei Einbruch der Dunkelheit zurück. Du hast also noch ein paar Stunden Zeit. Ich finde, Cesare sollte mit dir einen Rundgang durch Remora machen. Er kann dir alles über die Stellata erzählen.«
Im päpstlichen Palast legte Ferdinando di Chimici sorgfältig seinen Überwurf aus Silberbrokat ab. Nun stand er in seiner rosafarbenen seidenen Soutane da – eine beeindruckende Figur, auch wenn er nicht so groß war wie sein Bruder, der Herzog. Papst Ferdinando war auch nicht so ehrgeizig wie Niccolò. Er liebte das angenehme Leben, seine feinen Weine und das erlesene Essen, sein weiches Bett und seine Bibliothek mit seltenen Manuskripten. Dass er keine Frau und keine Kinder hatte, störte ihn nicht. Wenn er ehrlich war, waren ihm schon immer ein Glas bellezzanischen Rotweins und ein Gespräch über Theologie lieber gewesen als die Mühen, eine Frau bei Laune zu halten.
Die wenigen Frauen, die er noch kannte, waren seine Schwägerinnen und seine Nichten; die Chimici waren überwiegend eine Familie von Männern. Das Einzige, was Ferdinando in seinem Leben echte Sorgen machte, war seine Nachfolge.
Vermutlich würde sein Neffe Carlo Fürst von Remora werden, aber wer würde ihm als Papst nachfolgen? Es war undenkbar, dass dieses Amt nach ihm an jemand aus einer anderen Familie fallen könnte. Er hatte gehofft, dass der Besuch seines Neffen Gaetano auf ein Interesse an der Kirche hindeuten würde. Doch bisher war der Junge im Palast mürrisch und verschlossen geblieben.
Das bereitete Ferdinando Unbehagen. Die meiste Zeit konnte er darüber hinweggehen, dass er nur eine Galionsfigur war, eine Marionette, die von seinem klügeren und skrupelloseren Bruder manipuliert wurde. Natürlich war es Niccolòs Idee gewesen, dass er Geistlicher wurde, und sein Vermögen hatte sichergestellt, dass er rasch zum Kardinal und schließlich zum Papst aufstieg. Bei dem Gedanken, zu welch günstigem Zeitpunkt der Tod des alten Papstes, Augustus II. eingetreten war, schauderte er. Doch Augustus war schließlich ein alter Mann gewesen. Ferdinando verdrängte die Gedanken an seinen Vorgänger rasch.
Fürst der wichtigsten Stadt des Landes und Oberhaupt der Kirche zu sein brachte Bequemlichkeiten, ja Luxus und Respekt mit sich. Wenn er durch die Straßen ging, fielen die Menschen vor ihm auf die Knie. Aber nie konnte er ganz vergessen, dass er nicht wie die vergangenen Päpste war, zu den Zeiten, als das remanische Imperium die Höhe seiner Macht erreicht hatte. Und der klare Blick des jungen Gaetano ließ das alles wieder vor ihm aufsteigen.
»Das Essen ist serviert, Eure Heiligkeit«, verkündete sein Diener.
Ferdinando riss sich zusammen und machte sich zu seiner Mahlzeit auf. Seine Augen glänzten beim Anblick seiner silbernen Teller und Kelche. Der Tisch erstrahlte im Schein unzähliger Kerzen wie der Altar in Remoras Dom. Nur er, Niccolò und Gaetano ließen sich an dem schneeweiß gedeckten Tisch nieder, doch mindestens ein Dutzend Diener kümmerte sich um jeden ihrer Wünsche.
Nach einem kurzen Gebet, vorgetragen in Talisch, der alten Sprache von Remora und Talia, langten die drei Männer zu. Ferdinando aß langsam und mit Appetit und er genoss jede einzelne der sorgfältig zubereiteten Speisen. Niccolò aß wenig und trank viel. Gaetano verschlang alles, was man ihm vorsetzte, so schnell, wie es die guten Sitten eben zuließen – so als habe er einen Tag mit harter Feldarbeit hinter sich.
»Wie hast du deinen Tag zugebracht, Bruder?«, fragte Ferdinando.
»Sehr nützlich«, erwiderte Niccolò. »Ich habe mir deinen
Weitere Kostenlose Bücher