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Stadt ohne Namen

Stadt ohne Namen

Titel: Stadt ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H.P. Lovecraft
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öffnete, keine Fußtritte gehört hatte. Aber ich hatte nicht lange Angst, denn der alte Mann im Türrahmen, in Schlafrock und Pantoffeln hatte ein gütiges Gesicht, das mich beruhigte, und obwohl er mir durch Zeichen zu verstehen gab, daß er stumm sei, schrieb er einen wunderlichen, altfränkischen Willkommensgruß mit einem Griffel auf ein Wachstäfelchen, das er bei sich trug. Er winkte mich in ein niederes, kerzenerleuchtetes Zimmer mit massiven, sichtbaren Deckenbalken und dunklen, steifen, spärlich verteilten Möbeln des siebzehnten Jahrhunderts.
    Hier war die Vergangenheit lebendig, denn nicht ein Attribut fehlte. Da war ein höhlenartiger Kamin und ein Spinnrad, an dem eine gebeugte Alte in einem weiten Umhang und einem großen Schutenhut mit dem Rücken zu mir saß und trotz der festlichen Jahreszeit schweigend spann. Es schien irgendwie feucht im Hause zu sein, und ich wunderte mich, daß kein Feuer loderte. Eine Ruhebank mit hoher Rückenlehne stand einer Reihe vorhangbedeckter Fenster, die sich links befanden, gegenüber, und jemand schien darauf zu sitzen, obwohl ich dessen nicht sicher war. Ich war nicht mit allem, was ich ringsherum sah, einverstanden, und ich empfand erneut die Furcht wie vorher. Diese Furcht wuchs gerade durch das, was sie vorher vermindert hatte, denn je mehr ich das gütige Gesicht des alten Mannes anschaute, um so mehlerschreckte mich gerade diese Sanftmut. Die Augen bewegten sich überhaupt nicht, und die Haut sah zu wachsgleich aus. Am Ende war ich sicher, daß es überhaupt kein Gesicht, sondern eine boshafte, verschlagene Maske sei. Aber die kraftlosen, merkwürdig behandschuhten Hände schrieben freundlich auf das Wachstäfelchen, und man teilte mir mit, ich müsse noch ein wenig warten, bevor man mich zum Ort der Feierlichkeiten führen würde. Indem er auf einen Stuhl und einen Bücherstapel deutete, verließ der alte Mann jetzt das Zimmer.
    Als ich mich niedersetzte, um zu lesen, sah ich, daß die Bücher weißlich und schimmlig waren und daß sie des alten Morryster konfuse Marvells of Science, das schreckliche Saducismus Triumphatus von Joseph Glanvil, 1681
    veröffentlicht, die haarsträubende Daemonolatreia des Remigius, gedruckt 1595 zu Lyon, und als Allerschlimmstes, das unglaubliche Necronomicon des verrückten Arabers Abdul Alhazred, in Olaus Wormius' (Öle Worm 1588−1654) Küchenlatein−Übersetzung, ein Buch, das ich nie gesehen, von dem ich aber furchtbare Dinge hatte flüstern hören, enthielten. Niemand sprach mit mir, aber ich konnte das Knarren der Schilder draußen im Wind hören und das Schnurren des Rades, als die Alte mit dem Hut fortfuhr zu spinnen, spinnen.
    Ich fand das Zimmer, die Bücher und die Leute äußerst krankhaft und beunruhigend; aber da eine alte Tradition meiner Väter mich zu seltsamen Festen gerufen hatte, war ich entschlossen, merkwürdige Dinge zu erwarten.
    Ich versuchte deshalb zu lesen und war bald von etwas aufgeregt gefangengenommen, das ich in dem verfluchten Necronomicon fand; einen Gedanken und eine Legende, die für die Vernunft und das Bewußtsein zu schrecklich sind, aber es war mir gar nicht angenehm, als ich mir einbildete, 24
    daß eines der Fenster geschlossen wurde, die der Ruhebank gegenüber lagen, als sei es vorher heimlich geöffnet worden. Es schien einem Schwirren oder Schnurren gefolgt zusein, das nicht vom Spinnrad der Alten herrührte. Es war indessen unbedeutend, denn die Alte spann sehr eifrig, und die alte Uhr hatte gerade geschlagen. Danach verlor ich das Gefühl, daß auf der Ruhebank Leute säßen, und las gerade angespannt und mich gruselnd.als der alte Mann, in Stiefeln und in weite, altertümliche Gewänder gekleidet, wiederkam und sich gerade auf dieser Ruhebank niederließ, so daß ich ihn nicht sehen konnte. Es war bestimmt ein nervenzermürbendes Warten, und das gotteslästerliche Buch in meiner Hand machte die Dinge nicht besser. Indessen, als es elf Uhr schlug, stand der alte Mann auf, glitt zu der massiven geschnitzten Truhe im Eck und holte zwei Kapuzenmäntel heraus, von denen er einen selbst anzog, während er den anderen der Alten, die ihr monotones Spinnen einstellte, um die Schultern legte. Dann gingen sie beide auf die Außentür zu; die Alte humpelnd dahinkriechend, indem der alte Mann, nachdem er gerade das Buch, in dem ich gelesen hatte, vom Tisch nahm, mir ein Zeichen machte, während er die Kapuze über dieses unbewegliche Gesicht oder die Maske zog. Wir gingen in das

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