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Stadt ohne Namen

Stadt ohne Namen

Titel: Stadt ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H.P. Lovecraft
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Holzhäuser, fernab der begangenen Straße, die gewöhnlich auf einem feuchten Grasabhang stehen oder sich an einen riesigen Felsausbiß anlehnen. Zweihundert Jahre und länger stehen oder lehnen sie schon dort, während die Ranken an ihnen emporgeklettert und die Bäume dicker und breitästiger geworden sind. Sie sind jetzt beinah in ungebändigt üppigem Grün und schützend umhüllenden Schatten versteckt, aber die Fenster mit den winzigen Scheiben starren noch immer furchteinflößend, als ob sie durch eine tödliche Betäubung hindurch blinzelten, die den Wahnsinn in Schach hält, indem sie die Erinnerung an unangenehme Dinge abstumpft.
    In solchen Häusern haben Generationen merkwürdiger Leute gewohnt, wie ihresgleichen die Welt nie
    gesehen hat. Von einem düsteren und fanatischen Glauben ergriffen, der sie von ihresgleichen trennte, suchten ihre Ahnen der Freiheit wegen die Wildnis auf.
    Hier gediehen die Sprößlinge einer Erobererrasse frei von Beschränkungen durch ihre Mitmenschen, aber sie beugten sich der erschreckenden Sklaverei der Trugbilder des eigenen Geistes. Abseits der Aufklärung der Zivilisation wurden die Kräfte dieser Puritaner in seltsame Kanäle gelenkt, und in ihrer Isolierung, krankhaften Selbstunterdrückung und im Lebenskampf mit der erbarmungslosen Natur wuchsen in ihnen dunkle, heimliche Charakterzüge aus den vorgeschichtlichen Tiefen ihres kalten nordischen Erbes. Aus Notwendigkeit praktisch und von strenger Lebensauffassung, waren diese Leute 53
    in ihren Sünden nicht gerade bewundernswert. Irrtümern unterworfen, wie alle Sterblichen, zwang sie ihr strenger Ehrenkodex, die Dinge um jeden Preis zu verbergen, so daß sie immer weniger Geschmack entwickelten, in dem, was sie zu verbergen hatten. Nur die schweigenden, schläfrigen, glotzenden Häuser in den Hinterwäldem können davon erzählen, was seit den frühesten Zeiten dort verborgen liegt, und sie sind nicht sehr mitteilsam, da sie nicht gern die Verschlafenheit abschütteln, die ihnen vergessen hilft. Man hat manchmal das Gefühl, daß es Barmherzigkeit wäre, diese Häuser niederzureißen, denn sie müssen viel träumen.
    Es war an einem Nachmittag im November 1896, daß ich in ein solches von der Zeit angeschlagenes Gebäude durch einen Regen von kalter Ergiebigkeit getrieben wurde, denn jedes Obdach war besser als der Aufenthalt im Freien.
    Ich war schon einige Zeit auf der Suche nach bestimmten genealogischen Angaben inmitten der Bevölkerung des Miskatonic Valley gereist, und ich hatte es wegen der abgelegenen, verwickelten Eigenart meiner Reiseroute für bequem gehalten, trotz der vorgerückten Jahreszeit ein Fahrrad zu benutzen. Ich befand mich jetzt offenbar auf einer einsamen Straße, die ich als Abschneider nach Arkham gewählt hatte, und wurde vom Sturm an einer Stelle eingeholt, die weit weg von jeder Stadt entfernt lag, und sah mich keinem anderen Obdach gegenüber als dem alten und abstoßenden Holzgebäude, das mich mit blinden Fenstern zwischen zwei riesigen, kahlen Ulmen nahe dem Fuß eines Felsenhügels anblinkerte. Obwohl es von jeder Straße weit ablag, beeindruckte mich dieses Haus nichtdestoweniger sehr unangenehm, gleich in dem Augenblick, als ich seiner ansichtig wurde. Ehrliche, anständige Bauten starren den Reisenden nicht so verschlagen und beunruhigend an, und in meinen genealogischen Forschungen war ich auf Legenden des vergangenen Jahrhunderts gestoßen, die mich gegen Orte dieser Art einnahmen. Dennoch war die Wucht der Elemente derart, daß sie meine Zweifel besiegte, und ich zögerte nicht, mein Rad die verunkrautete Steigung zu der geschlossenen Tür hinaufzuschieben, die gleichzeitig vielsagend und geheimnisvoll aussah.
    Ich hatte es irgendwie für selbstverständlich gehalten, daß das Haus unbewohnt sei, dennoch war ich nicht ganz sicher, als ich mich ihm näherte, denn obschon die Wege wirklich völlig verunkrautet waren, waren sie doch noch zu gut erhalten, um für völliges Verlassensein zu sprechen. Deshalb klopfte ich, anstatt die Klinke niederzudrücken, und fühlte dabei eine Beklommenheit, die ich mir gar nicht erklären konnte. Während ich auf dem rauhen, bemoosten Felsstück wartete, das als Türschwelle diente, schaute ich die Fenster auf der Seite und im Oberlicht über mir an und bemerkte, daß, obwohl sie alt, klappernd und vor Dreck beinah undurchsichtig waren, keines davon zerbrochen war. Das Gebäude mußte demnach trotz seiner einsamen Lage und der allgemeinen

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