Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Stadt unter dem Eis

Titel: Stadt unter dem Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Greanias
Vom Netzwerk:
aber hast sie. Mach es anders als ich, sonst bereust du dein ganzes Leben lang, dass du die Chance nicht ergriffen hast.«
    Der üble Trick funktionierte. Als Conrad nun Yeats anstarrte, sah er in diesem seine Zukunft vor sich, eine aufgrund der nicht genutzten Gelegenheit verpatzte Zukunft. Der Anblick ließ ihn schaudern.
    Serena spürte, dass sie die Schlacht verloren hatte. »Bitte, Conrad«, sagte sie leise.
    »Es tut mir Leid, Serena«, sagte Conrad, während er den Obelisken bewegte. Das Gewölbe der Halle drehte sich, und die Sternbilder änderten sich. Mit einem dumpfen Rumpeln rotierte auch der Boden.
    »Wir brauchen mehr Zeit, um alles richtig zu begreifen«, schrie Serena nun und machte einen Satz auf ihn zu. »Du kannst nicht einfach für die ganze Welt entscheiden. Warte doch.«
    Yeats hielt ihr abrupt den Lauf seiner Glock ins Gesicht. »So wie Eisenhower 1945 an der Elbe Halt machte, statt die Russen aus Berlin zurückzudrängen?«, fragte er. »Oder wie Nixon, der die Mars-Mission 1969 den Bach runtergehen ließ? Da bin ich anderer Meinung. Damals hätte man Entscheidungskraft gebraucht, genau wie jetzt. Ich bleibe nicht auf halbem Weg stehen.«
    Conrad blickte zu Serena, die sich aus Yeats' Griff zu befreien versuchte. »Tu's nicht, Conrad. Ich schwöre …«
    »Schwör lieber nicht, Serena«, sagte er. »Sonst brichst du noch dein Gelübde.«
    Er griff mit beiden Händen nach dem Obelisken, überzeugt, dass er eine so einmalige Chance einfach wahrnehmen musste. Wenn er diesen Augenblick nicht nutzte, würde sein Leben fortan nichts mehr wert sein.
    »Bitte, Conrad.«
    Der Obelisk ließ sich ganz einfach aus dem Altar lösen. Conrad hob ihn hoch und lächelte Serena triumphierend zu.
    »Siehst du«, sagte er erleichtert. »Das war doch alles gar nicht so …«
    Das Ende des Satzes wurde durch einen ohrenbetäubenden Lärm abgeschnitten.
    »O mein Gott«, hauchte Serena, während das Donnern über ihr immer stärker wurde.
    Die gewölbten Wände der Halle drehten sich in atemberaubender Geschwindigkeit wie eine kosmische Spirale kurz vor dem Zerbrechen. Dann hörte das Kreisen plötzlich auf. Die Sternbilder kamen zum Stillstand, und eine explosionsartige Druckwelle erschütterte die Pyramide.

19
Abstieg, 9. Stunde Eisstation Orion
    Oben in der Eisstation Orion spielte O'Dell mit Wladimir Lenin und zwei anderen Russen gerade Poker, da fing der Wodka in ihren Plastiktassen zu zittern an. Die Sirenen heulten auf.
    O'Dell sah den verblüfften Wladimir an. Diesmal konnten es nicht die Russen sein. Er raste aus dem Bereitschaftsraum hinaus. Wladimir folgte ihm.
    Als O'Dell in die Kommandozentrale gerannt kam, stand bereits eine Gruppe Amerikaner und Russen dicht gedrängt um den Hauptmonitor herum. Auf dem Display blinkte das Wort SONNENEREIGNIS .
    »Da kann was nicht stimmen«, sagte O'Dell, als er zu den Leuten trat, die mit betroffener Miene dastanden.
    Einer der Lieutenants holte das Kontrollsystem CELSS, das Controlled Environmental Life Support System, auf den Bildschirm, das im Weltraum wie in der Antarktis lebensnotwendig war. Der Lieutenant lokalisierte den Sensor, der diese anormale Anzeige ausgelöst hatte.
    »Die Messungen kommen von unten, Sir«, sagte er. Weil die Erschütterungen stärker wurden, musste er sich am Kontrollpult festhalten. »Die einzig mögliche Erklärung, die mir einfällt, ist das SP-100.«
    Unwillkürlich warf O'Dell seinem russischen Kollegen einen nervösen Blick zu. Gott sei Dank verstand dieser nicht, was der Lieutenant gesagt hatte, handelte es sich bei dem SP-100 doch um das kompakte Atomkraftwerk der Eisstation Orion, ein 100-Kilowatt-System, das ein paar hundert Meter entfernt unter einer Schneedüne verborgen war.
    »Mein Gott.« O'Dell holte tief Luft. »Was sagen die Messdaten?«
    »In die äußeren Offiziersgebäude ist eine Strahlung von 270 rem eingedrungen, Sir. Hier in der Kommandozentrale sind es 65 rem, wobei unsere Leute 15 rem aufnehmen. Wir sind immer noch unter dem Grenzwert.«
    Es war eher das Beben, das O'Dell und die Russen beunruhigte.
    »Und jetzt?«
    »Wir haben keine andere Wahl mehr, Sir«, sagte der Lieutenant. »Wir müssen uns in die Hundehütte zurückziehen.«
    Die ›Hundehütte‹ war ein mobiles Schutzmodul unter der Kommandozentrale und den Versorgungsspeichern, das durch die Lufthülle der Kommandozentrale vor den SP-100-Protonen geschützt war.
    »Sorgen Sie dafür, dass möglichst die ganze Mannschaft hineinkommt«, befahl

Weitere Kostenlose Bücher