Stadt unter dem Eis
O'Dell.
Die amerikanischen Soldaten führten den Befehl sofort aus und verließen die Kommandozentrale in Reih und Glied. Die Russen hingegen rasten angesichts der nun leeren Zentrale in entgegengesetzter Richtung zu den äußeren Luftschleusen, um zu ihren Charkowtschankas zu gelangen.
»Warten!«, rief O'Dell und rannte hinterher.
Aber sie hatten schon die Türen des inneren und äußeren Bereichs aufgebrochen, und als er die Luftschleuse erreichte, waren sie weg. Eisiger Wind schlug ihm ins Gesicht. Er schnappte sich einen Polaranzug, Schutzbrille und Handschuhe aus dem nächsten Lagerraum und rannte raus.
Die Russen starteten gerade ihre Charkowtschankas. O'Dell lief auf die bereitstehenden Hägglunds-Transporter zu und griff nach der erstbesten Kabinentür.
Glauben die vielleicht, sie könnten einfach so abhauen?, dachte er. Er wollte mit einem der Hägglunds hinterher, um sie zurückzuhalten. Es würde ihm jetzt gerade noch fehlen, dass Yeats oder Kowitsch oder die Vereinten Nationen ihn für den Tod weiterer Russen verantwortlich machten.
Er wollte gerade in den Hägglunds klettern, da verspürte er einen Ruck. Er sah auf den Boden. Im Eis schoss ein Riss an seinen Füßen vorbei. Etwas Spitzes klammerte sich an seinen Handschuh, und er erstarrte vor Entsetzen. Es war Nimrod, Yeats' Hund, der ihn wie wild geworden wegzuzerren versuchte.
»Verschwinde!«, brüllte er und öffnete die Tür, aber Nimrod sprang vor ihm in die Kabine.
O'Dell hörte noch weitere donnernde Explosionen, dann sah er die Basis wie einen Eisberg abbrechen. Es krachte, und zu seinem Schrecken riss das Eis unter ihm wie ein Spinnennetz auf.
Das Eis schmolz!
Er sprang ins Führerhaus. Kaum hatte er die Tür geschlossen, machte der Hägglunds einen Ruck vor und zurück. Überall waren jetzt Risse im Eis zu sehen. Das ist jetzt das Ende, dachte er, als die Fiberglas-Kabine in das strudelnde Eiswasser fiel und weggespült wurde. Er merkte, wie der Transporter sich auf und ab bewegte. Ihm blieb vor Freude fast die Luft weg. »Das verdammte Ding schwimmt!«, rief er Nimrod zu, der wie verrückt über die Sitze sprang.
Die russischen Charkowtschankas jedoch verschwanden wie Steine in den sprudelnden Wassermassen.
Verzweifelt machte O'Dell die Scheibenwischer an. Als die Wasserfluten kurz weggewischt wurden, erblickte er eine aufgewühlte Landschaft. Die Eisstation Orion war verschwunden. Im Himmel hatte sich eine pilzförmige Wolke gebildet. In Panik dachte er erst, der Reaktor wäre in die Luft gegangen, aber der SP-100 hatte nicht die Kapazität, eine derartige Zerstörung auszulösen.
Eine Druckwelle warf ihn mit dem Kopf auf den Boden, direkt unter das Armaturenbrett. Er hörte, wie sein Schädel auf etwas Spitzes krachte, als die Kabine wild herumwirbelte. Nimrod bellte unaufhörlich.
20
Abstieg, 9. Stunde
Das Donnern in der Kammer mit dem Obelisken wurde so laut, dass Serena das eigene Wort kaum verstand. Sie brüllte Conrad an, der wie angewurzelt mit dem Zepter des Osiris in der Hand dastand.
»Stell es zurück!«, rief sie.
Conrad ging gerade auf den Altar zu, da öffnete sich der Boden unter ihm plötzlich, und eine lodernde Feuersäule schoss hoch, die Oberst Kowitsch sofort in einen glühenden Klumpen verwandelte.
Conrad sprang von dem klaffenden Loch zurück. Der Altar verschwand in einem rot glühenden Schacht. Ganze Fetzen des Russen flogen als Staubwolke durch die Luft. Der Obelisk fiel auf den Boden.
Serena beugte sich, um ihn aufzuheben, griff aber zu weit nach vorn und hing plötzlich gefährlich über der Kante. Furchtbare Sekunden lang schwebte sie über dem Höllengrund und spürte, wie die sengende Hitze auf ihren Wangen brannte. Schließlich zog Conrad sie mit einem Ruck vom Rand zurück.
Für einen kurzen Augenblick lag sie geborgen in seinen Armen und blickte dankbar in seine besorgten Augen. Noch bevor sie richtig Luft holen konnte, erschütterte jedoch ein Beben die Kammer und riss ihnen den Boden unter den Füßen weg. Der Obelisk glitt über den Boden.
»Das Zepter!«, rief sie.
Yeats stürzte los, um es zu retten. Weil die Erschütterungen stärker wurden, knickte ihm aber das rechte Bein ein, und er stürzte rückwärts in den Schacht, der sich im Boden aufgetan hatte. In letzter Sekunde gelang es ihm, sich an der Kante festzuhalten. Serena sah die Finger über den Rand ragen. Er klammerte sich mit aller Kraft am Steinboden fest.
Conrad hob den Obelisken auf und ergriff Serenas Hand.
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