Stadt unter dem Eis
hat schon zweimal Probleme gemacht. Jetzt lass deine Knarre fallen, Kowitsch.«
Kowitsch runzelte die Stirn und legte seine Kalaschnikow neben den toten Leonid auf den Boden.
»Ich bitte Sie, General Yeats«, sagte Kowitsch ruhig. »Wir sind schließlich Soldaten.«
Yeats ging zu ihm hin und rammte ihm blitzschnell das Knie in den Unterleib.
Der Russe wand sich vor Schmerzen. »Setz dich auf den Boden«, befahl Yeats. »Im Schneidersitz! Und mach keinen Scheiß, sonst geht's dir wie deinem Genossen hier.«
Kowitsch starrte das riesige Loch in Leonids Brust an und ließ sich dann mit dem Rücken an der Wand zu Boden gleiten. Yeats schlug dem Russen mit dem Gewehrkolben auf den Schädel. Conrad hörte es krachen: Kowitsch stöhnte vor Schmerz auf und brach auf dem Boden zusammen.
»Der wird schon nicht krepieren«, sagte Yeats. »Aber da kriechen noch Dutzende bewaffneter Iwans rum. Wir haben also keine Zeit zu verlieren. Was hast du rausgekriegt?«
»Der Obelisk ist der Schlüssel zur Pyramide«, sagte Conrad.
Yeats besah sich die Inschriften an den Seiten. »Wissen Sie, was die zu bedeuten haben, Doktor Serghetti?«
»Da steht, dass Osiris die Pyramide gebaut hat«, sagte Serena.
Conrad war überrascht, wie mühelos sie die Inschrift übersetzen konnte. »Der Obelisk ist sein Zepter. Es gehört zum Heiligtum der Ursonne.«
»Und was ist das?«, wollte Yeats wissen.
»Das ist der Ort der Urzeit, von dem ich in der Eisstation schon erzählt habe«, sagte Conrad aufgeregt. Er erkannte jetzt die Zusammenhänge, weil die Osiris-Figur, die er in der geothermischen Kammer gesehen hatte, auf einer Art Sitz oder Thron gesessen hatte. Der Thron des Osiris befand sich offensichtlich in diesem Heiligtum der Ursonne – zusammen mit dem Geheimnis der Urzeit selbst.
»Dann nehmen wir also das Zepter des Osiris und stellen es wieder da hin, wo es hingehört, also in das so genannte Heiligtum der Ursonne«, sagte Yeats.
»Das halte ich für keine gute Idee, General.« Serena deutete auf die Zeichnungen auf der Südseite des Obelisken, die eine Reihe von sechs Ringen enthielten. »Die Inschriften unter den sechs Ringen besagen, dass die Maschine, die von der Pyramide gesteuert wird, von Osiris in Bewegung gesetzt wurde, um die Menschheit unter Kontrolle zu halten – eine Art kosmischer Reset-Mechanismus, mit dem man noch vor dem Ende unserer Zeit sechs Mal reinen Tisch machen kann.«
»Kontrolle über die Menschheit?«, sagte Yeats. »Was soll das heißen?«
»Das heißt, dass die Bewohner von Atlantis die Pyramide bauten, um uns an einem zu großen Fortschritt zu hindern«, sagte Serena. »Das ist so ähnlich wie mit dem Turm zu Babel in der Schöpfungsgeschichte. Dahinter steckt die Vorstellung, dass technischer Fortschritt ohne moralisches Fortschreiten bedeutungslos ist. Die Menschheit wird also ständig auf ihren Wert und ihre Gesinnung geprüft.«
»Sechs Mal? Du hast gesagt, dass die Menschheit sechs Mal die Chance kriegt, von vorn anzufangen, bevor sie zu Grunde geht? Woher willst du das wissen?«
»Die sechs Sonnen, Conrad.« Sie las die Inschriften in den Ringen. »Die Ursonne, die Erste Sonne, wurde durch Wasser zerstört. Die Zweite Sonne endete, als die Erdkugel aus der Achse geriet und alles mit Eis bedeckt wurde. Die Dritte Sonne wurde als Strafe für menschliches Fehlverhalten zerstört, und zwar mit einem alles verzehrenden Feuer. Diese Pyramide wurde am Anfang der Vierten Sonne erbaut, die in einer weltweiten Sintflut endete.«
»Dann sind wir die Kinder der Fünften Sonne, genau wie es die Mythen der Mayas und Azteken besagen?«, fragte Conrad. »Soll das also heißen, dass wir dazu verdammt sind, die Sünden unserer Vorväter zu wiederholen?«
»Nicht ich, dein wertvoller Obelisk sagt das. Und was die Sünden unserer Vorväter angeht: Orientiert man sich am letzten Jahrhundert der Menschheitsgeschichte, dann haben wir sie schon massenweise wiederholt.«
Conrad dachte nach. Sie hatte nicht Unrecht. Schließlich fragte er: »Und wann genau endet die Fünfte Sonne? Wann beginnt die Sechste Sonne?«
»In dem Augenblick, in dem du das Zepter des Osiris aus dem Sockel nimmst.«
»Im Ernst?«
»Im Ernst.«
»Sie lügt«, sagte Yeats.
»Nein, das tue ich nicht.« Serena blickte Yeats ernst an. »Hier steht: ›Nur derjenige, der sich würdig erweist, zur rechten Zeit und am rechten Ort vor den Leuchtenden zu stehen, kann das Zepter des Osiris entfernen, ohne Himmel und Erde auseinander zu
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