Stadt unter dem Eis
Zawas drehte schon an der Ummantelung. Er roch den Kaffee und verzog das Gesicht. »Ich persönlich trinke lieber Tee.«
Er schüttete den Kaffee auf den Steinboden und wollte dann alles wieder zuschrauben. Dabei fiel die Zeichnung heraus.
Serena hielt die Luft an.
Zawas hob sie auf und musste laut lachen. Er zeigte ihr die Zeichnung. »Wissen Sie, was da dargestellt wird?«
Geschlagen ließ sie die Schultern hängen. »Das Zepter des Osiris.«
»Nein«, erwiderte er. »Das ist die Zeichnung vom Heiligtum der Ursonne.«
Sie starrte ihn an. In ihrem Kopf drehte sich alles.
»Tja«, sagte Zawas, »jetzt habe ich drei Dinge, auf die Doktor Yeats scharf ist. Und wenn er mich nicht zum Heiligtum der Ursonne führt, dann werden Sie es tun. Ich werde Jamil sagen, dass er noch eine Menge Arbeit vor sich hat.«
29
Tagesanbruch minus 2 Stunden
Skorpion. Schütze. Steinbock. Stundenlang führte Conrad sie durch die dunkle Stadt. Er folgte den Himmelskoordinaten zu ihren irdischen Gegenstücken und dann weiter von einem astronomisch ausgerichteten Bauwerk zum anderen. Jeder Tempel oder auch nur Grenzstein für sich genommen war schon den archäologischen Preis des Jahrhunderts wert, aber der Zeitdruck, das Brummen der Hubschrauber und die Suchscheinwerfer ließen sie schnell weitergehen. Schließlich endete die von den Sternen vorgegebene Schatzsuche bei der irdischen Entsprechung des Sternzeichens Wassermann, einem großartigen, dem Wassermann gewidmeten Tempel.
Der Tempel in Form einer Sphinx zeichnete sich gegen den Himmel wie ein Schädel ab. Die silbernen Wasserfälle leuchteten im Mondschein. Dahinter ragte die dunkle Spitze der P4 empor.
»Wir sind da«, sagte Conrad und reichte Yeats das Nachtsichtglas. Sie duckten sich an den Rand des größten Wasserwegs der Stadt, der direkt aus dem Bauwerk floss. »Der Tempel des Wassermanns.«
Yeats sah durch das Fernglas. »Das ist noch lange nicht alles. Schau dir das einmal an.«
Conrad richtete das Fernglas auf den Tempel des Wassermanns und sah unten und auf dem Vorsprung plötzlich Licht. »Zawas?«
»Sieht so aus, als hätte er dort ein Basislager errichtet.«
Conrad ließ das Nachtsichtglas sinken. »Wie haben die das bloß herausbekommen?«
Yeats zuckte die Achseln. »Vielleicht hilft ihnen ja Mutter Erde.«
»Oder sie haben eine Karte.«
»Kaum«, sagte Yeats. »Du hast selbst gesagt, dass die Sterne die Karte sind.« Er überlegte. »Bist du dir ganz sicher, dass wir da rein müssen? Wir sind beide geliefert, wenn Zawas uns entdeckt.«
Conrad nickte. »Nur wenn man zur richtigen Zeit am richtigen Ort steht, werden die ›Leuchtenden‹ den Standort des Heiligtums der Ursonne preisgeben.«
Yeats kniff die Augen zusammen. »Und wo genau sollen wir die ›Leuchtenden‹ befragen?«
Conrad rückte nur zögernd mit der schlechten Nachricht heraus. »Zwischen den Wasserfällen des Tempels des Wassermanns. Mitten in Zawas' Basislager.«
»Und dann noch zur richtigen Zeit, ich weiß.« Yeats sah auf die leuchtende Digitalanzeige seiner Armbanduhr. »Schon vier Uhr. Die Sonne geht gleich auf, und es wird hell. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit.«
Die nächste halbe Stunde verbrachte Conrad damit, den Tempel von weitem zu beobachten, während Yeats eine Planskizze anfertigte.
»Der Vorsprung an der Ostwand ist ungefähr fünfzig Meter hoch«, erklärte Yeats. »Auf beiden Seiten führen zwei schmale Treppen nach unten. Ich glaube nicht, dass Zawas mehr als einen Wachposten pro Treppe abgestellt hat. Immerhin braucht er möglichst viele Leute, um das Heiligtum der Ursonne zu suchen.«
Mit dem Nachtsichtglas verfolgte Conrad die Ostwand und die Wasserfälle bis zum Boden. Plötzlich konnte er die Wachposten am nördlichen Ende der Ostwand ganz deutlich sehen. Unten bei den Wasserfällen lag ein Schlauchboot.
»Ich kann die Wachposten sehen«, sagte er. »Sie haben auch ein Schlauchboot.«
»Nur eins?«
»Wahrscheinlich suchen sie uns mit den anderen.«
»Lass mich mal sehen.« Yeats nahm das Fernglas. »Zawas wechselt die Wachleute alle drei Stunden aus. Zumindest hat er das bei seinen Friedenseinsätzen für die Vereinten Nationen so gemacht. Und so schlapp wie die aussehen, ist ihre Schicht gleich vorbei.« Yeats gab Conrad das Fernglas zurück. »Wir brauchen sie also nur ein paar Minuten früher abzulösen. Dann gebe ich dir Deckung, und wir teilen uns auf.«
»Und wie soll das gehen?«
Mit einem alten Feuerzeug leuchtete Yeats auf die Skizze, die er
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