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Stadt unter dem Eis

Titel: Stadt unter dem Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Greanias
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stimmten, lag das Heiligtum der Ursonne 90 Grad südlich. Das hieß, es befand sich direkt unter dem Fluss in etwa 300 Meter Tiefe. Er schwenkte mit seiner Digitalkamera über den Horizont, um den Punkt zu markieren.
    Conrad blickte wieder zu den Gestirnen. Die erste Morgenröte schimmerte. Bald würde der Wassermann aufgegangen sein; ein Wassermann am Firmament mit seinem Gefäß am Horizont. Gleichzeitig läge die Sonne – und zwar genau auf dem Frühlingspunkt – irgendwo unter dem letzten Stern, der aus dem Gefäß floss.
    Conrad blickte auf seine Uhr. Fast fünf Uhr; er musste sich beeilen. Als er sich umdrehte, sah er einen Ägypter aus dem Tempel herauskommen und auf ihn zugehen.
    »Jasir, warum bist du nicht auf deinem Posten?«, brüllte Jamil.
    »Und warum bist du nicht auf deinem?«, erwiderte Conrad barsch in passablem Arabisch. Sein Arabisch war ein Mischmasch aus allen möglichen Wörtern, die er im Laufe der Jahre aufgeschnappt hatte.
    Jamil schien sich zu beruhigen. »Ich mache gerade Pause«, sagte er. Zumindest verstand Conrad es so. »Diese Nonnen sind nicht kleinzukriegen. Als wären sie zum Martyrium geboren. Bei der muss ich aufpassen, wo ich sie verletze. Damit ich mich noch an sie ranmachen kann, wenn sie tot ist.«
    Conrad bemerkte etwas in Jamils Hand. Ein Büschel Haare. Serenas Haare. Am liebsten hätte Conrad ihn auf der Stelle umgebracht und Serena gerettet. Aber ihm war klar, dass Jamil nicht sein Gesicht sehen durfte. Deshalb lachte er einfach über Jamils widerlichen Witz, drehte sich um und blickte über die Wasserfälle. Er merkte, dass jemand ihm einen Gewehrlauf in den Rücken drückte.
    »Sie haben also das Heiligtum gefunden, Doktor Yeats?«
    Er drehte sich um und blickte in Jamils glühende Augen.
    Jamil grinste triumphierend. »Jetzt brauchen wir die Nonne ja nicht mehr«, sagte Jamil. »Also, wo ist es?«
    »Da drüben.« Conrad ging scheinbar auf die Frage ein. »Sehen Sie den Wassermann?«
    Er deutete mit der linken Hand, und Jamil folgte ihr automatisch. Sofort stieß Conrad dem Ägypter mit der Rechten das Messer, das er dem Russen in der P4 abgenommen und im Ärmel bereitgehalten hatte, ins Genick. Die Klinge hinterließ eine dünne Blutspur.
    Jamil wollte schreien, brachte aber nur noch ein Gurgeln heraus, bevor er nach hinten über den Rand taumelte und in der Dunkelheit verschwand. Conrad beobachtete, wie Jamil zweimal von der Wand abprallte und dann in den Fluss stürzte.
    Conrad machte sich auf den Weg zur oberen Plattform beziehungsweise zum Landeplatz, wo er Yeats treffen sollte. Auf einmal kam ein weiterer Ägypter aus dem Tempel und ging auf ihn zu. Conrad erstarrte. Er erkannte Oberst Zawas am Gang. Ihm war klar, dass es diesmal kein Entrinnen gab.

30
Tagesanbruch minus 1 Stunde
    Ein paar Minuten nach fünf trat Zawas aus der Kammer, um draußen zu rauchen und sich die Zeichnung vom Heiligtum der Ursonne, die er Serena weggenommen hatte, noch einmal in Ruhe anzuschauen. Jetzt, da er wusste, wonach er suchen musste, ging es nur noch darum, wo er suchen sollte.
    Unter dem Sternenhimmel nuckelte er an der noch nicht angezündeten Havanna und stellte fest, dass es allmählich hell wurde. Bald würde die Sonne aufgehen, und die Chance, das Heiligtum der Ursonne zu finden, wäre vertan. Auf einmal sah er einen seiner Wachleute – wahrscheinlich Jasir – am Wasserfall stehen. Als er im dämmerigen Licht auf ihn zuging, nahm Jasir eine angespannte Haltung ein.
    »Stehen Sie bequem, Leutnant«, sagte Zawas, worauf sich Jasir rührte. »So einen Sonnenaufgang gibt's nicht alle Tage, was?«
    Jasir murmelte etwas Zustimmendes. Zawas stellte fest, dass bei fast allen seinen Leuten Anzeichen von Erschöpfung und Stress zu beobachten waren.
    Er seufzte und klopfte seine Hosentaschen nach Streichhölzern ab, da streckte Jasir ihm ein altmodisches Zippo-Feuerzeug hin. Zawas hielt die Zigarrenspitze in die Flamme und inhalierte. Welch ein Genuss!
    »Bleiben Sie auf dem Posten«, sagte Zawas und ging zur Kommandozentrale zurück.
    Auf halbem Weg kam ihm an der handgerollten Zigarre irgendetwas bekannt vor. Nein, nicht die Zigarre, sondern das silberne Zippo-Feuerzeug weckte eine Erinnerung in ihm. Genau so eines hatte sein Großvater ihm einmal gegeben. Allerdings wunderte es ihn, dass Jasir oder sonst jemand seiner Leute solch ein vorsintflutliches Modell besitzen sollte. Er wollte Jasir fragen, wo er es herhatte.
    Als Zawas sich umdrehte, war Jasir jedoch nicht mehr

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