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Stadtlust - vom Glueck, in der Großstadt zu leben

Stadtlust - vom Glueck, in der Großstadt zu leben

Titel: Stadtlust - vom Glueck, in der Großstadt zu leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Barbara und Trippel Schaefer
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Doppelhaushälfte, die sich bis heute nur in Nuancen verändert hat. So viel Konstanz beim Wohnen mögen manche schön finden. Uns nimmt sie die Luft zum Atmen. Wir schätzen die Vielfalt der Wohnmöglichkeiten in der Großstadt. Von ihnen handelt dieses Kapitel.
    Die Nestfluchtphase
    Nichts wie weg. Darum ging es mir, aufgewachsen in der Kleinstadt, kaum hatte ich das Abi in der Tasche. Wohin genau und für was? Ein Studium? Eine Lehre? Mit welchem Berufsziel? So viele Fragezeichen – und keine Antwort. Nicht einmal ein Ahnung. Also beschloss ich, den großen Zukunftsplan zu vertagen und erst einmal flügge zu werden. Aber nicht in meiner Heimatstadt oder dem benachbarten Uninest Tübingen, wo es viele meiner Klassenkameraden zum Studieren hinzog. Wie kann man nur aus einer schwäbischen Kleinstadt weg- und dann nach Tübingen ziehen?! Think big! Ich wollte raus, und zwar nach Paris.
    Bei zwei Besuchen hatte die Stadt mich euphorisiert. Alles war so riesig und wuselig, kein Stadtviertel glich dem anderen. Hier bourgeoise Eleganz, da Westafrika, dort französische Provinz – aber überall schienen die Frauen schicker, die Männer mondäner, die Häuser, Bars, Museen, Boutiquen und überhaupt alles reizvoller als daheim im Kaff. Der Gestank der Metro roch für mich nach dem Duft der großen weiten Welt, nach Abenteuer und Abwechslung. Genau richtig für eine neunzehnjährige Kleinstädterin. Und so kratzte ich all mein Erspartes zusammen und schrieb mich an der Sorbonne für ein Semester »Französisch für Ausländer« ein.
    Das Problem, das ich zunächst zu knacken hatte: Wo wohnen für wenig Geld? Auch in deutschen Großstädten ist bezahlbarer Wohnraum inzwischen mehr als knapp. Gerade Studenten oder Auszubildende müssen entweder reiche Eltern, einen enormen Freundeskreis oder Glück haben, um als Anfänger einen Volltreffer zu landen. Ich hatte Glück. Die Zimmervermittlung der Sorbonne schickte mich zu einer versnobten Familie, die über ihrer 250-Quadratmeter-Wohnung voller Antiquitäten ein ehemaliges Dienstmädchenzimmer mit Bruchmöbeln vermietete: zwölf Quadratmeter im siebten Stock ohne Fahrstuhl, im Gang das erwähnte Gemeinschaftsklo. Was für das Zimmer sprach, war die Lage: unweit der Seine und des Quartier Latin. Perfekt.
    Zehn Millionen Menschen wohnen im Großraum Paris, drei Millionen im Zentrum, nun war ich eine davon. Aufregend! Ich hatte zwar keinerlei Luxus und noch weniger Geld, aber das Gute in Großstädten ist: Man ist nicht die Einzige mit diesem Problem; man gehört eher zur Mehrheit. Und irgendwo hat immer jemand eine Lösung parat. Sogar Paris bietet, wie alle teuren Pflaster, günstige Alternativen für sämtliche Lebensbereiche. Man muss nur wissen, wo.
    Ich fand heraus, auf welchem Trödel man Secondhand-Teller, Tassen und Besteck findet, auf welchem Markt das günstigste Gemüse und in welchem Supermarkt die billigsten Nudeln verkauft werden. Erfuhr von der Ungarin im Nebenzimmer, dass sie in der Turnhalle gegenüber zum Duschen ging, und von der Concierge, dass die Pariser Opern fünf Stunden vor der Aufführung ihre Resttickets billig an Studenten verscherbeln.
    Ein marokkanischer Bekannter führte mich in die Maghrebmensa, die das beste Couscous der Stadt servierte; mit einer Schwedin verbrachte ich legendäre Abende in einer Bar ums Eck mit Rotwein für fünf Franc das Glas; einen vietnamesischen Kommilitonen durfte ich in Garküchen begleiten, wo mit Gewürzen und Geschmäckern gezaubert wurde, die es erst fünfzehn Jahre später in meine heimatliche Kleinstadt schafften. Ein bisschen Köpfchen und Offenheit, ein U-Bahn-Monatsticket und Zeit, mehr braucht es nicht, um sich in einer fremden Großstadt zu fühlen wie eine Königin.
    Natürlich sind die Mieten in München, Hamburg oder Düsseldorf eine Zumutung, gerade für junge Menschen; im Schnitt zahlt jeder Student in diesen A-Klasse-Großstädten laut dem Deutschen Studentenwerk 345 Euro pro Monat für eine Unterkunft; das ist verdammt viel. Andererseits, dafür kriegt man außerhalb der eigenen vier Wände auch einiges geboten: ein immenses Kulturangebot (s. Kapitel 6), die Chance auf einen Nebenjob (s. Kapitel 4), aufregende Begegnungen (s. Kapitel 3 und Kapitel 4). Weniger Platz drinnen für mehr Erlebnis draußen – klingt doch nach einem fairen Deal.
    Bezahlbares Großstadtfeeling ohne Mietenstress finden junge Leute in B-Klasse-Städten wie Bochum, Hannover oder Leipzig. Hier ist das Wohnen im Schnitt hundert Euro

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