Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stadtlust - vom Glueck, in der Großstadt zu leben

Stadtlust - vom Glueck, in der Großstadt zu leben

Titel: Stadtlust - vom Glueck, in der Großstadt zu leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Barbara und Trippel Schaefer
Vom Netzwerk:
billiger. Ob A, B oder C: Fündig wird man immer, denn die Varianz der Angebote steigt mit der Einwohnerzahl.
    Klar kostet das sonnig-zentrale Einzimmerapartment in Frankfurt (690000 Einwohner) mehr, als sich ein normaler Studi leisten kann. Klar vermieten Hausverwaltungen in Berlin (3,3 Millionen Einwohner) ihre großzügigen Flügeltürwohnungen lieber an Akademikerpärchen als an eine flippige WG. Doch im Gegensatz zu Studinestern wie Marburg oder Jena stehen in Frankfurt und Berlin zahlreiche Unterkünfte auch jenseits der Norm zur Wahl – meist sogar mit eigener Toilette. Man muss nur findig sein.
    Das teure Frankfurt etwa wird dank des Projekts »Wohnen gegen Hilfe« bezahlbar: Meist ältere Menschen tauschen darin ein Zimmer gegen Anpacken in Haus und Garten. Die Faustregel lautet: Für einen Quadratmeter Wohnfläche muss pro Monat eine Stunde Arbeit geleistet werden, ob mit Wäsche waschen, Blumen gießen oder Einkaufsdiensten, ist Verhandlungssache. Je mehr Engagement, desto geringer die Miete.
    Berlin, wo 1967 mit der Kommune 1 die Studenten- WG praktisch erfunden wurde und noch heute die meisten jungen Menschen in WGs leben, bietet unzählige Alternativen zur zunehmend teuren Mietwohnung. Allein Berlins Studentenwerk vermietet rund 10500 Plätze in fast 40 Wohnheimen, die quer durch die Stadt verteilt sind. Je nach Gusto und gewünschter Study-Life-Balance kann man sich bewerben für Zimmer, WG s oder Einzelapartments auf dem Unicampus im beschaulichen Zehlendorf, mit Blick auf den Potsdamer Platz, oder am Schlachtensee, Grillplatz, Waldnatur und nächtlicher Wildschweinbesuch inklusive.
    Wer nicht nur unter Studenten leben will, wird vielleicht in privaten Großwohnanlagen fündig. In Berlin-Lichtenberg, fünfzehn S-Bahn-Minuten vom Alexanderplatz entfernt, modernisiert derzeit ein Großinvestor tausend kleine Wohnungen und Apartments in Plattenbauten für monatliche Mieten bis 350 Euro. Hippie-Kids, die konventionelle Lösungen grundsätzlich meiden, werden vielleicht in einer Wagenburg glücklich. Oder in einer Datschensiedlung mit eigenem Gemüsebeet (s. Kapitel 1). Oder auf dem Campingplatz. Oderoderoder, die Vielfalt kennt keine Grenzen.
    Und die Möbel? Fehlt ein Bett, ein Kleiderschrank mit Spiegel oder ein Gäste-Rad, findet in jeder Großstadt regelmäßig irgendwo ein Flohmarkt statt. In Trödelhallen oder Secondhandläden entdeckt man Dinge, die man vorher gar nicht vermisste. Schnell einen Transporter gemietet, die in Großstädten günstig zu kriegen sind, und die Wohnhöhle ist eingerichtet. Wer wirklich auf jeden Cent achten muss, dem hilft ein Blick in die Onlineanzeigen »zum Abholen für geschenkt«. Oder in die der Nebenjobs. Auf dem Land oder in der Kleinstadt hingegen: schwierig.
    Ich weiß, wovon ich rede. Denn nach Paris ging’s bei mir bergab. Zum weiteren Studium verschlug es mich nach Münster (250000 Einwohner), zwei Jahre später ins Erasmus-Refugium Aix-en-Provence (140000 Einwohner). In Münster musste ich meinen erzkatholischen Vermietern unterschreiben, dass ich ab zweiundzwanzig Uhr keinen Herrenbesuch mehr empfangen würde; das war nicht in der Nachkriegszeit, sondern Mitte der 1990er Jahre. Im noch provinzielleren Aix-en-Provence, dessen Wohnungsmangel mit Tübingen oder Würzburg vergleichbar ist, sponserte mir Erasmus zwar die üppige Miete, aber die Suche nach einem Nebenjob als Ausländerin war, im Gegensatz zu meinem Semester in Paris, aussichtslos.
    Zum Diplom stand daher fest: zurück in die Großstadt. Zurück in die Freiheit und Anonymität. Als »Pariserin« hatte ich es sehr genossen, keinen zu kennen. In meinem Heimatkaff konnte ich nach Jahren des schulischen Dauersocializings nie ungestört durch die Straßen flanieren. Andauernd traf ich jemanden, den ich kannte, oder jemanden, der meine Schwester kannte oder irgendjemanden in der Familie. Wenn man abends vergaß, die Rollläden runterzulassen, wusste die halbe Nachbarschaft Bescheid: über das Fernsehprogramm, die Gäste, die Farbe des Nachthemds. Diskretion? Privatsphäre? Unmöglich. Klatsch und Tratsch: jedermanns Hobby (s. Kapitel 3).
    In Münster und Aix war das schon nach einigen Monaten nicht viel anders. Zog ich dort um die Häuser, traf ich ganz sicher einen Kommilitonen, in der Kneipe saß der Ex, der Kellner im dritten Laden fragte mich über meine Mitbewohnerin aus. Jeder kennt jeden, man musste sich nicht mal verabreden. Das war vielleicht als Teenie schön gewesen, aber ewig so leben?
    In

Weitere Kostenlose Bücher