Stadtlust - vom Glueck, in der Großstadt zu leben
Sommer 2012 das im Maßstab 1:333 verkleinerte Modell ihres »Reishochhauses« vorgestellt, das nach einem ähnlichen Prinzip funktioniert: Im Erdgeschoss wird der Reis als Saatgut angeliefert und reist dann auf einer Art Fließband durch das komplette Gebäude; vom Keimling bis zur erntereifen Reispflanze immer durch den klimatischen Bereich, den sie in ihrer jeweiligen Wachstumsphase braucht. Gesteuert wird dieser »Klimabereich« durch die Raumtemperatur sowie die Wasser- und Lichtzufuhr. Auf einer Fläche von einem Hektar könnte so viel Reis gedeihen wie im Freien auf 10 bis 40 Hektar – mit deutlich weniger Wasserverbrauch und Methanausstoß.
Der Haken an der Sache: Die Erstinvestition ist immens teuer. Und auch die Betriebskosten wären mit der heutigen Technologie weder bezahlbar noch rentabel, da vor allem effektivere LED -Beleuchtungssysteme fehlen. Sieben Millionen Euro brauche er für den Bau eines Protoypen seiner Skyfarm, sagt Fakultätsdekan Joachim Sauerborn, der das Forschungsprojekt angeschoben hat. Mit dem Optimismus des Wissenschaftlers verspricht er: »Es gibt aber kein Problem, das technisch nicht lösbar wäre.« Ist das Geld erst da, soll in sieben Jahren ein Prototyp fertig sein.
Weniger visionär, dafür günstiger und schneller umzusetzen ist das sogenannte »Rooftop Farming«, unglamourös übersetzt als »Flachdach-Landwirtschaft«. Ob Los Angeles, Schanghai oder Dubai – überall auf der Welt befinden sich derzeit kommerzielle Modelle in der Planung, die drei Eigenschaften ihrer hohen Standorte besonders schätzen: Flachdächer sind vergleichsweise günstig zu pachten. Sie kriegen viel Sonne ab. Und sie werden von Ungeziefer oder Keimen meist nicht erreicht.
Am weitesten vorn ist man – Überraschung – in New York City. Hier baut beispielsweise die Firma Gotham Green mit zwanzig Mitarbeitern auf den Dächern Brooklyns so rentabel Basilikum, Koriander und andere Kräuter an, dass sie 2013 drei weitere Dachfarmen eröffnen will. Der Konkurrent Brookling Grange (deutsch: Scheune) hat in der Nachbarschaft Kürbis, Frühlingszwiebeln und Tomaten auf hohe Flachdächer gepflanzt. Die New Yorker Stadtverwaltung hat für die Wolkenkratzerlandwirtschaft extra das Baurecht geändert und ihr dadurch einen weiteren Wachstumsschub verpasst. Auf den unendlichen Dachlandschaften der sogenannten »Zone Green« darf nun jeder seine kleine City Farm gründen. Einzige Bedingung: Die Gewächshäuser dürfen nicht höher sein als 7,5 Meter – und müssen 1,8 Meter entfernt von der Dachkante enden. So bleiben sie von unten unsichtbar, und beim Jäten stürzt keiner aus Versehen in die Tiefe.
In Deutschland wartet man derweil noch auf Projektideen zu Flachdach- oder Wolkenkratzergärten, die nicht nur die Erfinder begeistern, sondern auch Investoren. Die Berliner Jungunternehmer von Efficient City Farming haben es immerhin schon in die Medien geschafft – dank eines bunt bemalten Containers mit Gewächshaus auf dem Dach, kamerageeignet aufgestellt im Hof einer alten Brauerei. Ihr sogenanntes Aquaponic-Konzept will Karpfenzucht mit Gemüseanbau verbinden, entwickelt wurde es von Biologen des Berliner Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei. Die Idee klingt simpel: Die Ausscheidungen der Fische düngen über einen kontrollierten Wasserkreislauf die Pflanzen. Sie hat 2012 sogar den ersten Forschungspreis »Nachhaltige Entwicklung« des Bundesforschungsministeriums gewonnen. Doch die praktische Ausführung scheint diffizil, zumindest findet sich bislang kein Investor für die Finanzierung eines Prototyps.
Bis also urbane Farmen die deutsche Landwirtschaft revolutionieren, schrebern die Großstädter wohl noch eine Weile in ihren Gärten, summen die Bienen weiter um Hochbeete und freuen sich Balkonbesitzer über ihre Balkontomaten.
Die Chance auf eine Wohnung mit Balkon oder in Nähe eines Gartens, in dem keiner allein Unkraut jäten muss, sondern viele nette Leute zusammenkommen, stehen in der Großstadt übrigens wesentlich besser als auf dem Land. Überhaupt bieten die Wohnungsmärkte der Großstädte eine Vielfalt, von der man auf dem Dorf nur träumen kann. Darüber mehr im nächsten Kapitel.
Meine Stadt und ich
Julia Paganini, 23, lebt seit einem Jahr in einer WG in Freiburg-Wiehre. Beruf: Arzthelferin und Auszubildende als Heilpraktikerin.
■ Warum leben Sie in der Stadt?
In Freiburg hatte ich die Möglichkeiten, die Ausbildung anzufangen, und beruflich mehr
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