Stahlfront 3: Der zweite Buergerkrieg
ausgewählte Vertreter des Offizierskorps zum Weihnachtsempfang in den Bismarck-Block in Neu-Berlin geladen. Traditionell nahmen alle Offiziere an dem Empfang teil, die im ablaufenden Jahr neu zu den Thule-Truppen gestoßen waren.
Der Empfang begann um 14 Uhr, damit die Männer den Abend mit ihren Frauen und vor allem ihren Kindern verbringen konnten. Ein Mann, der sich nicht um seine Kinder kümmerte, würde in der Wehrmacht Thules keine Karriere machen.
Selbstverständlich waren auch ausgewählte Zivilisten zu dem Empfang geladen.
Die Temperatur in dem unterirdischen Höhlenreich war wie immer mild und wurde auch nie verändert. So gab es zwar keine Jahreszeiten, andererseits konnte die Landwirtschaft ununterbrochen anbauen und ernten. Die Pflanzen hatten sich auf das paradiesische Klima eingestellt. In den ausgedehnten Laubwäldern gab es immer einige Bäume, die gerade die Blätter abgeworfen hatten. Doch sie begrünten sich rasch wieder, denn die durch tiefe Temperaturen und Kälte bedingte winterliche Ruhephase war in rauheren Klimazonen eine Notwendigkeit, aber nicht etwas, das sie wirklich zum Überleben gebraucht hätten.
Den immergrünen Nadelbäumen bekam das gleichmäßige Klima noch besser, und so waren die Tannenbäume, die jetzt den großen Saal des Bismarck-Blocks schmückten, von eben-mäßigem Wuchs und sattem Grün. An den Bäumen hingen Lebkuchen und von bunten Bändern gehaltene Sterne aus Stroh, die Kerzen auf den strammen Zweigen waren aus echtem Bienenwachs und verbreiteten einen heimeligen Duft.
Es gab keine flirrenden bunten Lichterketten, keine kitschigen Dekorationen oder Weihnachtsmänner nach amerikanischem Muster und keine Beschallung mit Gehörgang-Malträtierern wie »Jingle Bells«. Statt dessen sang man gemeinsam klassische deutsche Weihnachtslieder.
Während er aus voller Kehle »Stille Nacht, heilige Nacht« im Kreise seiner Kameraden anstimmte, mußte Magnus Wittmann daran denken, was er über die Weihnachtstraditionen im Reich Thule erfahren hatte: Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches hatten die Wehrmachtsangehörigen, denen die Flucht in die Hohlwelt am Südpol gelungen war, die Nase gestrichen voll von der Kulturbarbarei der Nationalsozialisten mit ihren »Sonnenwendfeiern« und ähnlichem Brimborium, mit dem sie die in zweitausend Jahren gewachsene deutsche Kultur auszulöschen versucht hatten.
So besann man sich wieder auf die alten deutsch-abendländischen Traditionen, ohne erneut in den Fehler zu verfallen, Religionen - egal welcher Richtung - zu viel Bedeutung einzuräumen. Selbstverständlich konnten Thule-Soldaten religiös sein, wenn sie Bedarf nach derartigem verspürten, aber man erlaubte keiner Kirche mehr Einfluß auf Bildungssystem oder Kultur. Und so wurde auch das Weihnachtsfest in der Hohlwelt unter Neu-Schwabenland nicht mehr als christliches, sondern als deutsches Fest begangen.
Daß man dabei auch christliche Lieder sang, sah niemand als Widerspruch an, solange diese Lieder in der deutschen Tradition wurzelten.
Nach dem gemeinsamen Gesang wurden Punsch und Zigarren gereicht. Mike »Draufgänger« McBain, der neben Wittmann stand, stupste ihn freundschaftlich in die Seite und deutete auf die Gruppe der Zivilisten, zu der auch Uschi Braun und Manfred Behrens von den »Thule-Nachrichten« gehörten. »Dein Kumpel sieht aus, als wäre ihm eine Laus über die Leber gelaufen«, sagte der drahtige Amerikaner grinsend, der elf Jahre jünger als Wittmann und deutlich kleiner war - aber ebenso blond.
Major Meduna gesellte sich zu den beiden. Er wußte mittlerweile wie fast jeder Offizier in Neu-Berlin, daß der gutaussehende Journalist und bekennende Zeitgeistler Behrens homosexuell war und ein großes Problem mit den strikten Sittengesetzen Thules hatte.
Der hier in der Hohlwelt behütet aufgewachsene junge Major war von den angeblichen Verlockungen des modernen Lebens in der westlichen Zivilisation verschont geblieben und sah Homosexuelle deshalb als eher unappetitliche, bestenfalls zu Witzen taugende Randfiguren an.
»Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, wie rührend sich Frau Braun um den lieben Herrn Behrens kümmert? Manchmal kommt sie mir fast so vor, als habe sie ihn adoptiert. Hoffentlich sagt Ihr Freund Manfred niemals >du dumme Uschi< zu ihr, Hauptmann !«
Magnus sah Meduna voller Unverständnis an. »Ich begreife nicht ganz, Herr Major. !«
»Dabei ist es ganz einfach. Wußten Sie nicht, daß >Uschi< das japanische Wort für >Kuh< ist
Weitere Kostenlose Bücher