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Stahlstiche

Stahlstiche

Titel: Stahlstiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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voranstellt –, dieses Œuvre ist wie kaum ein anderes Erinnerung an Schuld, Versagen, Haß.
    Nun hat Hochhuth einen Fehler begangen: Er hat einer Zeitung, die als rechtsradikal gilt, ein Interview gegeben – schon töricht. In diesem Interview hat er den höchst dubiosen englischen Historiker – man darf wohl sagen: Holocaust-Leugner – David Irving verteidigt, als sei das ein satisfaktionsfähiger Kollege – noch törichter. Irving, wegen seiner Infamien mit Einreiseverbot in die Bundesrepublik belegt – was Hochhuth ärgert –, ist fraglos ein Schmutzfink.
    Wenn man der unappetitlichen Sache nachgeht, stellt sich allerdings heraus: Irvings ekle Bücher kennt Hochhuth gar nicht, und was für ein Blatt die «Junge Freiheit» ist, wußte er nicht. Peinliche Sorglosigkeiten, die aber in unserem «Schnell, schnell-kurz, kurz»-Gewerbe passieren. Es ist noch nicht sehr lange her, da unterlief dem Intellektuellen
par excellence
, Joachim Kaiser, derselbe Lapsus – er gab der auch ihm unbekannten Wochenzeitung ein Interview, die FAZ verdammte ihn in den Orkus. Wie man fast wöchentlich lesen und hören kann, arbeitet Joachim Kaiser dort weithin anerkannt und so redlich wie stets weiter. Auch Jürgen Habermas ist kein Antisemit; gleichwohl empfahl er dem Hause Suhrkamp (ebenfalls nach zugegeben flüchtiger Lektüre) ein politisch so anstößiges Buch, daß der Verlag es schleunigst zurückzog.
    Wichtiger als derlei gewiß schwer zu entschuldigende Fahrlässigkeiten ist doch aber das Wort. Das Wort Rolf Hochhuths ist seit Jahrzehnten ohne Fehl und Tadel. Und – am wichtigsten – in dem inkriminierten Interview findet sich nicht einmal ein Halbsatz, der den Vorwurf rechtfertigte, Rolf Hochhuth sei eine Art Schallverstärker der Holocaust-Leugner-Bande. Vielmehr sagt er: «Ich habe selbst erlebt, wie die Juden meiner Heimatstadt deportiert worden sind. Das war doch der Hitler nicht allein! Dresden wäre ohne das, was in Auschwitz geschehen ist, nicht möglich gewesen … Der Mörder ist der Mann des ersten Schusses – und dieser Mann war Hitler!» Selbst eine angebliche Pauschalverteidigung Irvings ist da nicht zu lesen, vielmehr spricht Hochhuth von «Irvings Wahn».
    Wer Hochhuth kennt, weiß, daß er zugleich berserkerhaft zuschnappt, um dann den Degen zu senken, gelegentlich unfreiwillig komisch, honorig allemal. Auch ich hätte mir schneidende Antworten gewünscht, wenn die verbohrten Redakteure dieser Zeitung ihm entgegenhalten, Irving habe schließlich die Existenz von Gaskammern geleugnet, und ihn mit dem ganz und gar unerhörten Satz zitieren, in den Gaskammern seien «weniger Menschen umgekommen als auf dem Rücksitz Edward Kennedys 1969 (und das war eine Geliebte, die ertrank)». Hochhuths Replik, da habe Irving wohl «seiner nicht ganz unbritischen Neigung zum schwarzen Humor auf zynische Weise freien Lauf gelassen», ist ein Ausweichen in die Banalität und der Unerhörtheit des Diktums nicht gemäß.
    Doch sei noch einmal betont: Man darf nicht ungelenke Sätze aus einem Interview einem Werk entgegenhalten, das insgesamt eine große Scham-Predigt ist. Eine kurze Glosse wie diese kann natürlich ein umfangreich einwandfreies Gesamtwerk nicht analysieren. Sie darf aber vielleicht an Paul Spiegel, dem mein allerhöchster Respekt gilt, wie an seine Gefährten appellieren, einen Mann nicht zu verfemen, dessen Gedicht «Auschwitz» mit dem Satz endet: «Die Trinität bleibt im Menschheitsgedächtnis: Auschwitz, Deutsche, Hitler.»
    *
    Der andere Hochhuth
    Eine Gratulation
    Ein Kenner nannte Rolf Hochhuth einmal den «Ossietzky der Bühne»: einen zupackenden Dramatiker, dessen «Stellvertreter» ein Welterfolg war, den er allerdings nie wiederholen konnte. Seine späteren Stücke sind dennoch immer ein trotziger Einspruch zu den Verwerfungen unserer Gesellschaft. Rolf Hochhuth ist aber auch ein Lyriker von Gnaden.
    «Das ist kein Gedicht» – mit dieser seltsam hochgemuten Nicht-Begründung lehnen gelegentlich Redakteure und ihre Kolleginnen den Abdruck einer lyrischen Arbeit von Rolf Hochhuth ab. Der «Spiegel», apart-niederträchtig, druckte einmal eines – als Leserbrief. Schickte man dem Magazin diese Zeilen, ginge es dem Autor wohl, als zu ungebärdig-proklamatorisch, ebenso:
    Wieder eine Nacht herabgestiegen
    Auf das alte, ew’ge Erdenrund,
    Wieder eine Finsternis geworden
    In dem qualmerfüllten Kerkerschlund.
    Nun sind das aber Zeilen von Georg Büchner, und der ist zum

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