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Stahlstiche

Stahlstiche

Titel: Stahlstiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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richtige Ordnung, es ist auch nicht geordnet, was in meinem Kopf vorgeht, öfters schon kamst Du auf einen Punkt zurück, der so aussieht, Du kannst und willst nicht eine deklarierte mit Stempel versehene Ehe führen, das war sie auch nie und ich hab sie nie verlangt … das ist schon ein Fußtritt von besonderer Heftigkeit. Ich bin nicht unempfindlich, wenn Du Dein Leben so ändern willst, kann ich es nicht.
    Der Krieg ist vorbei. Wie ein Abschluß-Gong tönt vor dem Aufbruch nach Europa der End-Satz von Brechts letztem Brief aus New York: «Sei freundlich, ich mag dich.» Oder ist es der Notenschlüssel für die Jahre, die nun kommen? Die Jahre der fabulösen gemeinsamen Erfolge, überstrahlt vom Glanz der Brecht-Inszenierungen am Berliner Ensemble, dessen Stimme die Stimme der Weigel war? Der europaweit bewunderten «Mutter Courage», die nicht nur den legendären Karren über die Bühne zog, sondern als Frau Intendantin gleich auch das ganze Theater. Wer je diese Aufführungen sah, bliebt geprägt für sein ganzes Theater-Liebhaberleben. Wer die Briefe liest, sieht jedoch auch eine andere Regie walten: die der Firma Brecht & Co.; in der war Helene Weigel das «& Co.». Tatsächlich ist dieser Teil des Briefwechsels fast ausschließlich eine Geschäftskorrespondenz, verblüffenderweise von der Lebensgefährtin oft per Anrede «Lieber Brecht», manchmal gar an «Herrn Brecht» geführt, von ihm nicht selten mit dem lapidaren «b» unterschrieben. Der Briefband schließt mit einem tief berührenden Dokument, in strenger Nüchternheit abgefaßt wie eine Regieanweisung, drei Jahre vor dem Tod des Dichters, der nichts, auch das eigene Ende nicht, dem Zufall überlassen wollte:
     
    Ich bitte Helli, folgendes zu veranlassen:
    daß der Tod sichergestellt wird,
daß der Sarg aus Stahl oder Eisen ist,
daß der Sarg nicht offen ausgestellt wird,
daß er, wenn er ausgestellt werden soll, im Probenhaus ausgestellt wird,
daß weder am Sarg noch am Grab gesprochen, höchstens das Gedicht «An die Nachgeborenen» verlesen wird,
daß die Totenwache, wenn eine solche gewünscht wird, nur von Schauspielern gehalten wird,
daß keine Musik gespielt wird,
daß das Grab im Garten in Buckow oder im Friedhof neben meiner Wohnung in der Chausseestraße liegt und nur den Namen Brecht auf einem Stein hat.
    Danke, Helli!
    brecht
    November 1953
    Berlin
    *
    Entwurf zu einem Menschen
    Über Brechts Arbeitsjournale  1
    Man könnte sagen, die beiden Bände Arbeitsjournale sind – ein Brechtsches Hauptwort – der Entwurf zu einem Menschen; zu einem, der von sich sagte: «In mir habt ihr einen, auf den könnt ihr nicht bauen.» Dieses Lieblingswort Brechts birgt ja in sich bereits den Begriff Arbeit. Denn Arbeit war das intimste Lebensgesetz des Stückeschreibers, nicht nur in den zwei Jahrzehnten seiner Notate, dort aber authentisch vorgeführt.
    Hervorstechendes Merkmal dieses Lebens ist eine nahezu genießerische Lust am Denken: Die Arbeit an einem Theaterstück – erstaunlich, in welch kurzer Zeit, manchmal Tagen, meist nur wenigen Wochen, die ersten Fassungen oft fertig waren – ist immer auch das Nachdenken über die Möglichkeit des Stückeschreibens überhaupt. Brechts Überlegungen zum «Messingkauf» zum Beispiel haben ihre eigene Dramaturgie – kaum überraschend, wenn eine Eintragung acht Jahre später den «Verdacht» bestätigt, der beim faszinierten Verfolgen dieses Prozesses entstand: «Mehr oder weniger fertig mit ‹kleines Organon für das Theater›; es ist eine kurze Zusammenfassung des ‹Messingkaufs›.»
    Schon 1940 im finnischen Exil beginnt Brechts theoretische Auseinandersetzung mit den formalen Forderungen des Aristotelischen Theaters, mit dessen Illusionspostulat und der daraus folgenden Gefahr der Irreführung; denn Illusion und Identifikation können auch ganz in die Irre laufen – wenn Kausalitäten nicht logisch erklärt und aufgedeckt werden. Bleibt das Prozeßhafte verborgen, kann es nicht zur Demonstration von Ursachen kommen, kann es kein Theater der Veränderung geben: «im prinzip ist es möglich, mit einer vollständig irreführenden darstellung eines vorgangs aus dem leben ein komplettes theatererlebnis herbeizuführen.» Brechts Forderung nach Ent-Täuschung findet sich bereits in diesen frühen Eintragungen zum «Messingkauf», so präzise wie glanzvoll formuliert. Und zwar nicht als beiläufiger Kladdenmonolog, sondern als deutliches künstlerisches Credo. Es ist fraglos Brechts

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