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Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Titel: Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Fromm
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Woche erwartet wurden. Die Reste ihres Bataillons sollten die dezimierten Sturmkompanien der Division auffüllen. Sie bekamen mit, dass am Telefon zwischen den verschiedenen Bataillonen um jeden Mann gefeilscht wurde. Man brauchte sie dringend.
    Leutnant von Wetzland wurde mit den Resten seines Zuges, n och genau siebzehn Mann, dem 336. Pionierbataillon zugeteilt. Die Männer murrten, weil sie an eine neue Einheit verpumpt wurden. Das waren die besten Aussichten, um verheizt zu werden. Der Leutnant war trotzdem erleichtert. Wenigstens war man endlich aus dem Niemandsland heraus und wieder auf militärisch organisiertem Boden. Ein Melder brachte sie in ihren Abschnitt.
    Geschützfabrik Roter Oktober. Das sagte ihnen noch nicht viel. In Zügen aufgeteilt, ging es durc h einen Schützengraben. Das Nieseln hatte sich zu einem Regen verstärkt, die Grabensohle war entsprechend schlammig. Der Melder, wie alle lang gedienten Frontsoldaten von undefinierbarem Alter, mit spitzem Gesicht und schmalen Lippen, bewegte sich äußerst vorsichtig, nur gebückt; die Sturmpioniere fanden das bei stockdunkler Nacht und Regen etwas übertrieben.
    »Kein Wunder, dass ihr hier noch nicht weiter seid, wenn ihr alle wie die Maulwürfe durch die Gegend kriecht.«
    Der Melder zog Schleim aus der Nase und spuckte ihn knapp vor Rollo aus. »Nee, wir haben auf Helden wie dich gewartet.«
    »War klug von euch.« Rollo blie b stehen und rief in die Dunkelheit. »He, Iwan, ich bin hier!«
    Alle duckten sich in den Graben. Die Antwort kam prompt: einige gut gezielte Schüsse. Dreck spritzte vom Grabenrand.
    »Wohl wahnsinnig geworden, Rohleder!«
    Rollo lachte leise. »Nicht böse sein, Herr Leutnant. Wollte nur ’n kleinen Talisman.« Er klaubte in dem Schuttwall oberhalb nach den Kugeln und schien tatsächlich fündig zu werden. Jedenfalls drückte er dem Leutnant eine Kugel in die Hand. »Hier, bringt Glück.« Er grinste. »Ich will ja nicht, dass Sie Ihre Wette verlieren.«
    Der Melder trieb sie zur Eile an. »Macht schon, ihr Idioten. Ich will nicht wegen euch ins Nachtkonzert kommen.«
    Ohne weitere Vorkommnisse erreichten sie eine zerschossene Werkhalle, der Melder führte sie hinein.

 
     
     
     
     
     
    8
     
     
    I n der Werkhalle hatten sich ungefähr fünfhundert Mann versammelt, teils Sturmpioniere, teils Infanteristen von der 305. Division. Die Sturmpioniere hatten sich von den normalen Schlammfressern abgesondert.
    Man bereitete sich auf unters chiedliche Art auf den bevorstehenden Angriff vor. Einige Infanteristen überprüften noch mal ihr Sturmgepäck, einige beteten, andere lasen ein letztes Mal abgegriffene Briefe oder betrachteten Fotografien von Ehefrauen, Bräuten, Verwandten. Die Sturmpioniere ließen den Flachmann umgehen und rauchten hinter vorgehaltener Hand.
    Zwei junge Infanteristen saßen wie gelähmt vor Angst auf ihren Tornistern. Die alten Hasen hatten sie längst abgeschrieben. Wer zu viel Angst hatte, ging drauf. Wer zu viel Mut hatte, auch. Nur der Vorsichtige überlebte. Vielleicht.
    Ein Kindergesicht, blond und blauäugig, ungefähr achtzehn Jahre alt, überprüfte immer wieder sein Gewehr. Ein gut vierzigjähriger Infanterist mit scharfer Nase, müdem Gesicht, schmutzigem Vollbart und flinken Augen, den alle »Opa Forster« nannten, legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter und bot ihm einen Keks an.
    »Lass gut sein, Junge. Hier, hat meine Alte gebacken.«
    Der Junge nahm dankbar den Keks, der nach vielen Eiern, Sonntag und Ruhe schmeckte. Er kontrollierte ein letztes Mal seinen Gewehrverschluss.
    »Ich will nur sicher sein, dass es auch funktioniert, wenn wir morgen bis zur Wolga …«
    »Wird schon schiefgehen. Halt dich man immer hinter mir.«
    Ein Feldwebel der Sturmpioniere hatte mitgehört. Pflüger, ebenfalls blond, war Mitte zwanzig, Berufssoldat, groß, athletisch, hatte einen vorspringenden Kiefer und einen harten, verschlagenen Blick, der seelenlosen Mut suggerierte . Ein Elitesoldat. Ein Nahkampfspezialist. Er würde mit seinen Männern morgen den Rest dieser Stadt nehmen, so wie sie bisher jede Stadt genommen hatten, das war sicher. Mitleidig musterte er die beiden Jammerlappen. »Bleibt ihr Normalkrücken immer schön hinten und versperrt uns nicht den Weg.«
    Der Melder führte Hans von Wetzland und seinen Zug zu ihm und verabschiedete sich, indem er ihnen viel Spaß wünschte.
    Pflüger grüßte erfreut und zackig. »Feldwebel Pflüger, Sturmpionierbataillon 336, erste

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