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Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Titel: Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Fromm
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erschossen hatte.
    Er hatte noch nie zuvor so intensiv gefühlt. Es waren Gefühle, die zu erfahren, auszuhalten und z u genießen nur einer wahren Herrenrasse vorbehalten waren, nicht diesen Heuchlern und Schreibtischtätern.
    Die Erfassung war damals des wegen besonders effektiv verlaufen, weil man den Juden weisgemacht hatte, sie würden von der Wehrmacht aus dem Kampfgebiet evakuiert. Die Juden hatten den deutschen Soldaten geglaubt und waren, beladen mit Koffern und Hausrat, in die Schlucht von Babij Yar marschiert.
    Gegen die Schlucht von Babij Yar war das hier eine Lappalie. Zählte nicht. Fand nicht statt.
    Er überlegte einen Moment, ob er das alles diesem selbstgerechten jungen Schnösel erzählen sollte. Doch wozu die Mühe? Die Front würde dem Leutnant die ganzen verlogenen Ideale schon austreiben!
    Lächelnd breitete er die Hände aus, als dirigiere er ein großes Orchester. »Ich verstehe nicht, über was Sie sich mokieren, Herr Leutnant. Wir töten nur Partisanen.«
    Sein alles umfassender Blick registrierte ein kleines Mädchen, das von einem Soldaten zur Kirche gezerrt wurde. Er sprang auf, mit ein paar schnellen Schritten war er bei dem weinenden Kind, befreite es aus dem Griff des Soldaten und stopfte ihm ein Stück Schokolade in den Mund.
    »Bekämpfung von Banden wesen, alles nach Genfer Konvention«, sagte er zu von Wetzland. »Diese Leute befinden sich im rechtsfreien Raum. Haben Sie auch Kinder?«
    Er nahm das kleine Mädchen auf den Arm, das sich genauso verzweifelt an ihn klammerte wie damals die Jüdin in ihrer letzten Nacht. Natürlich hatte er ihr, um den Abend genießen zu können, die Freiheit versprochen, sofern sie seinen Wünschen entsprach. Die Angst war die Mutter aller Dinge, auch die der Zärtlichkeit.
    Er beobachtete nicht ohne Amüsement, wie sich seine Untergebenen mit banaleren Problemen herumschlugen. Der Stelzenmann hatte inzwischen weitere Hürden entdeckt, die ihn an der Entfaltung seiner Potenz hinderten. »Wieso habt ihr der Sau die Fresse so zerschlagen, jetzt ist sie zu hässlich, zu hässlich!«
    »Wenn Sie Ihren Männern nicht sofort den Befehl geben, damit aufzuhören«, sagte von Wetzland, »werde ich dafür sorgen, dass Sie alle zur Rechenschaft gezogen werden!«
    Roschmann sah der Androhung von Strafe denkbar gelassen entgegen. »Das glaube ich kaum. Aber bitte, beschweren Sie sich, am besten gleich beim Führer.« Er kehrte zu seinem Stuhl zurück, das kleine Mädchen noch immer auf dem Arm, und nahm wieder darauf Platz. »Führt ihr nur schön euren edelmütigen Krieg. Für die Drecksarbeit habt ihr ja uns!« Er streichelte dem kleinen Mädchen beruhigend übers Haar und achtete nicht weiter auf den Leutnant.
    Plötzlich fiel ein Schuss …
     
    Der Kopf der Partisanin kippte mit einem kleinen Loch in der Stirn zur Seite, der SS-Mann fiel vor Schreck erneut von den Stelzen.
    Wie eine Meute um ihre Beute betrogener Wölfe starrten die Männer den jungen Leutnant an, der geschossen hatte. Trotzig erwiderte er ihre Blicke. Sollten sie nur versuchen, ihn zu töten!
    Sein plötzlicher Mut war ebenso unvernünftig wie grenzenlos. Es war ganz still, nur das Knacken des brennenden Holzes war zu hören. Rollo, Fritz und Edgar hatten sichtlich Angst.
    Die ersten der Meute kamen langsam näher. Ihre Augen verhießen nichts Gutes.
    Rollo schluckte. »Verdammt, Herr Leutnant …«
    Fritz war klar, dass hier mit Waffengewalt nichts auszurichten war. Wann und ob überhaupt der Sturmbannführer seine Horde zurückpfeifen würde, war zumindest fraglich.
    Es gab nur noch einen Ausweg. Fritz ergriff das Kristallglas, das Roschmann auf der Armlehne des Stuhls abgestellt hatte, hielt es hoch und brüllte: »Tod allen russischen Partisanenschweinen! Auf unsere tapferen Kameraden, die feige ermordet wurden! Auf die SS!«
    Die einfachen und im Moment zudem noch ziemlich benebelten Gehirne der Schlächter brauch ten einen für Fritz schrecklich langen Moment, um umzupolen. Dann aber grölte die Meute zustimmend und lachte auf. Ach, so war das gemeint! Waren ja doch in Ordnung, die Jungs von der Wehrmacht! Hatten ihnen unter die Arme greifen wollen! Auch gut.
    Der Leutnant wurde gönnerhaft beklatscht und beglückwünscht. Roschmann ließ zwei neue Gläser und weiteren Krimsekt bringen.
    »Da kann ich nur sagen: Willkommen in Russland!«
    Der Leutnant ignorierte das angebotene Glas. Roschmann überging es. »Na, war das nicht ein guter Schuss?«, wandte er sich an seine Männer.

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