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Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Titel: Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Fromm
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versuchte seine Hand zu umklammern. »Nein! Nicht weggehen! Bitte …«
    Rollo riss sich los. Die Russen konnten überall sein. Er hatte keine Lust, wegen diesem Grünschnabel zu krepieren.
    »Komm, bringen wir ihn wenigstens ins andere Zimmer«, sagte Fritz, der Bubi den weiteren Anblick seines toten Freundes ersparen wollte.
    Rollo hielt das für Zeitverschwendung, war aber einverstanden. Geduckt führten sie Bubi in einen weiteren Raum. Auch dort lagen qualmende verkohlte Leichen.
    »Wenigstens keiner von uns«, knurrte Rollo. Er drückte Bubi eine der vielen herrenlos gewordenen MPis in die Hand. »Du bleibst jetzt hier und sicherst den Raum, knallst auf alles, was sich an der Tür zeigt.« Er nickte ermutigend und tätschelte Bubi kurz den Kopf. »Komm, Fritzchen. Wir haben keine Zeit, Kindermädchen zu spielen.«
    Fritz sah, wie Bubi die entstellten Gesichter der Tote n anstarrte.
    Von unten waren laute Explosionen und undeutlich Musks Stimme zu hören. »Bataillon, Erdgeschoss! Sammeln!«
    Rollo zerrte Fritz in den Flur, sie sprangen mit ihren Flammenwerfern einen Stock tiefer. Die Gurte schnitten beim Aufprall tief ins Fleisch, das wider Erwarten immer noch heil war.

 
     
     
     
     
     
    16
     
     
    I m Erdgeschoss waren bisher drei Räume mit einer Gesamtfläche von höchstens hundert Quadratmetern erobert worden. Ungefähr ebenso viele Männer hatten Musks Offensive überstanden.
    Die Russen hielten nach wie vor die Kellerräume. Feuergarben fetzten aus Wasserrohren, H andgranaten wurden nach oben geschleudert. Einige der Soldaten, die vier Wochen Fronteinsatz in dieser Stadt überlebt hatten, erinnerten sich an den Getreidespeicher, zu dessen Eroberung man drei Bataillone und eine ganze Woche gebraucht hatte. So wie es aussah, schien es diesmal ähnlich zu laufen. Wie sollte man mit den Russen im Keller ohne allzu große Verluste fertig werden?
    Musk riss Piontek, der in sinnloser Wut mit geschwungener Axt in den Keller stürzen wollte, zurück. »Nicht runterlaufen! Boden auf, Benzin rein!«
    Die Idee wurde mit Jubelgeheul begrüßt. In wilder Wut rissen die Soldaten mit Spaten den Boden auf, Piontek schlug mit seiner Axt immer wieder zu und hackte das Holz auf. Benzinkanister wurden herangeschleppt.
    Hans sah mit geweiteten Augen im dreckverschmierten Gesicht zu. Bilder blitzten in seiner Erinner ung auf. Der Mann mit der Stahlstrebe im Mund. Die gekreuzigte Partisanin. Sturmbannführer Roschmann. Der Name hallte in seinem Kopf. Roschmann kam auf ihn zu und verwandelte sich in Hauptmann Musk. Hans fühlte sich durchschaut und erschrak. Er warf einen Blick auf die bereitgestellten Benzinkanister. Dahinter biss sich Pionteks Axt durch den Boden.
    »Tapfer und fair«, sagte er leise.
    »Sollen wir noch dreihundert Männer verlieren?«, herrschte ihn Musk an. »Los, helfen Sie!« Er entriss einem Soldaten den Benzinkanister und drückte ihn dem Leutnant in die Hände.
    Piontek war fertig und hatte ein Loch in den Boden geschlagen. Musk starrte seinen Untergebenen mit dem Benzinkanister an.
    »Ich warte!« Seine Stimme war betont leise.
    Hans trat an die Öffnung und schüttete den Inhalt des Kanisters durch das Loch. Dann kam Pflüger mit einem zweiten und dem dritten. Soldaten brüllten Beifall.
    Benommen trat Hans zurück. Sein militärischer Horizont wurde um die Erfahrung bereichert, dass sich der Jubel einer deutschen Eliteeinheit nur wenig von d em Gebrüll einer SD-Horde unterschied.
    »Räuchert die Ratten aus!«, schrie Pflüger.
    Rollo schoss mit einem Flammenwerfer durch die Öffnung. Fritz stellte sich mit einem weiteren an ein zweites Loch und folgte Rollos Beispiel. Er wurde von zwei Gedanken beherrscht: Mich hat’s noch nicht erwischt! Und: Der Scheiß muss vorbei sein, bevor ich auch noch draufgehe.
    Aus den Kelleröffnungen schossen Stichflammen. Schreie und der Gestank von brennendem Menschenfleisch durchdrangen den Qualm. Wie die Pferde, dachte Fritz, wie die Pferde.
    Die jüngeren Soldaten hielten sich entsetzt die Ohren zu, einige taumelten nach draußen ins Sperrfeuer der Russen. Gestalten wankten durch den Flammenglast, alles wirkte verlangsamt, als hätte ein sadistischer Gott zu seinem Vergnügen den Lauf der Zeit angehalten.
    Dann hatten sich die Flamm en zu einem unterirdischen Munitionsdepot durchgefressen, das mit einem schmetternden Knall in die Luft flog. Drei Deutsche wirbelten wie Puppen mit abgerissenen Gliedmaßen durch den Rauch. Brennende und vom Qualm halb erstickte

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