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Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Titel: Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Fromm
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Backenknochen leuchteten, angestarrt wurde.
    Fritz konnte nicht abdrücken. Er stürzte Rollo hinterher.
    Rollo hatte im ersten Raum bereits ganze Arbeit geleistet. Schwarze Mumien mit bleckenden Zähnen. Schien mal ein Büro gewesen zu sein. Der Qualm der Opfer brannte in den Augen. Es stank unerträglich. Zu allem Überfluss wurden auch noch Nebelkerzen ins Haus geworfen.

 
     
     
     
     
     
    15
     
     
    B ubi hatte seine Sonnenbrille längst abgenommen. Wie durch ein Wunder hatte er die letzte halbe Stunde überlebt. Beim Erstürmen des Hauses hatte er Dieter und die anderen verloren und war plötzlich ganz allein. Er tat zunächst das Vernünftigste, setzte sich auf den Boden und rührte sich nicht von der Stelle. Doch das hielt er nur wenige Sekunden aus.
    Als Forster gestorben war, hatte er geglaubt, das wäre das Schlimmste. Dann war er durch den Sturmlauf zum Wohnblock eines Besseren belehrt worden. Inzw ischen wusste er, dass Einsamkeit in diesem Inferno noch schlimmer als Trommelfeuer war.
    Zitternd stand er auf, tastete sich an einer zerschossenen Wand entlang. Seine Füße tappten eine Steintreppe hoch, in den ersten Stock. Für den Bruchteil eines Augenblickes erinnerte er sich an das sonntägliche Versteckspiel mit sei ner Schwester – und hörte plötzlich Schritte. Sie kamen direkt auf ihn zu.
    Blind vor Angst sprang er feuernd ins Zimmer, stolperte über den Körper, den er niedergeschossen hatte, starrte ihn an.
    Langsam erkannte er in dem Toten seinen Freund Dieter.
    Er kniete neben die Leiche und versuchte mit zitternden Händen, ihr das Blut vom Gesicht zu wischen.
    Plötzlich standen zwei Russen vor ihm. »Ich … ich hab ihn erschossen«, flüsterte er.
    Die Gesichter der Männer verschwammen vor seinen Augen. Einer von ihnen nahm die MPi an sich, die Bubi zuvor von Rollo bekommen hatte.
    »Russisch Gewehr nix gut für deutsch, russisch Land nix gut für deutsch …«
    Die MPi-Mündung tanzte vor Bubis Augen.
    »Schieß endlich«, flüsterte er mit tränenerstickter Stimme. »Schieß doch!«
    »Nix schieß«, sagte der Russe. »Komm!«
    Im selben Moment tauchten Fritz und Rollo hinter den beiden auf.
    »Hände hoch, Rukki werch!«, schrie Fritz.
    Rollo ging das zwar gegen den Strich, aber da die beiden schnell die Waffen fallen ließen, sich umdrehten und die Arme hoben, konnte man nicht mehr schießen.
    Die Russen wichen mit erh obenen Händen zurück. Einer versuchte ein Lächeln.
    Die Feuerstöße kamen völlig überraschend. Die Russen sackten zusammen, fielen um.
    Wölk und Piontek kamen hinter ihnen zum Vorschein. Fritz, Rollo und Bubi sahen sie fassungslos an.
    »Seid ihr übergeschnappt?«, schrie Wölk. »Wir bringen kaum die Verwundeten nach hinten, und ihr wollt Gefangene machen!«
    »Ihr habt sie einfach von hinten …«, stammelte Bubi.
    Wölk grinste. »Besser als von vorn. Musst du ihre Dummfressen nicht sehen.« Mit zuckenden Backen wies er auf Dieter. »Siehste nicht, was die Schweine getan haben? Wenn ihr mit Flennen fertig seid, räuchert den nächsten Stock aus. Wir sind nicht scharf darauf, wegen eurer Leichenfeier eine zu fangen.« Er hieb dem dümmlich grinsenden Piontek zwischen die mächtigen Schulterblätter. »Da lacht unser Bauer. Komm schon.«
    Sie verschwanden im Qualm wie ein Komikerpaar aus der Stummfilmzeit.
    Bubi hielt noch immer Dieters blutverschmierten Kopf im Schoß. »Das war ich«, sagte er leise.
    Rollo spuckte aus. »Quatsch.«
    Der Kleine verlor endgültig die Beherrschung. »Ich war’s, ich war’s!«, schrie er.
    Rollo stoppte ihn mit einer Ohrfeige. »Und wenn schon! Halt jetzt die Fresse!«
    Der Idiot hetzte ihnen nur die Russen auf den Hals! Stellungswechsel war angesagt.
    Eine Handgranate flog in den Raum. Fritz kriegte sie mit einer Reflexbewegung im Flug zu fassen, schleuderte sie in den nächsten Raum zurück, wo sie zwischen drei Russen explodierte.
    Fritz und Rollo feuerten mit den MPis auf alles, was sich noch bewegte. Für einen Moment war das ein beklemmend gutes Gefühl. Dann waren die Gegner keine Gegner mehr, sondern nur noch blutverschmierte leblose Bündel.
    Ihre Finger lösten sich vom A bzug. Bubi war in einer Ecke zusammengesunken. Fritz fasste ihn an der Schulter. »He, mach dir nix draus, so was ist uns schon tausend Mal passiert!«
    Auch Rollos Stimme klang merkwürdig heiser. »Is völlig normal im Nahkampf. Wenn’s ’n Iwan gewesen wär, wärst du jetzt hin. Du bleibst jetzt hier, bis alles vorbei ist.«
    Bubi

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