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Stalins Geist

Stalins Geist

Titel: Stalins Geist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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ihm und führte ihn durch eine matt beleuchtete Halle aus düsterem Granit und um die Sperre herum zu einer Reihe von drei antiken Aufzügen, die klackend herabfuhren. Vielleicht waren sie gar nicht so alt, sondern nur abgenutzt; die Moskauer U-Bahn war die verkehrsreichste der Welt, und als Arkadi jetzt buchstäblich allein hier war, wurde ihm bewusst, wie groß die Station und wie tief das Loch war.
    Seine Gedanken kehrten zu den Ausschachtungsarbeiten vor dem Obersten Gericht zurück. Dort saßen sie - bedeutende Richter mit dem bescheidenen Ehrgeiz, ihre Kellercafeteria zu verschönern und vielleicht eine Espressobar hinzuzufügen, und stattdessen hatten sie das Grauen der Vergangenheit ausgegraben. Stieß man die Schaufel in die Moskauer Erde, ging man ein Risiko ein.
     »Die Leute im Zug müssen verrückt sein. Er ist seit fünfzig Jahren tot. Es ist eine Schande«, sagte die Putzfrau mit der Festigkeit eines Soldaten der Palastgarde. Sie trug eine orangegelbe Weste, die sie glatt strich und gerade zog. Die Außenwelt mochte mit Graffiti bekritzelt sein und nach Pisse stinken, aber nach allgemeiner Übereinkunft war die V-Bahn die letzte Bastion des Anstands in Moskau - wenn man die Grabscher, Betrunkenen und Diebe unter den Mitreisenden einmal außer Acht ließ. »Seit über fünfzig Jahren.«
    »Sie haben heute Nacht nichts gesehen?«
    »Na ja, ich hab diesen Soldaten gesehen.«
    »Wen?«
    »Ich erinnere mich nicht an seinen Namen, aber ich hab ihn im Fernsehen gesehen. Es wird mir wieder einfallen.«
    »Sie haben einen Soldaten gesehen, aber nicht Stalin.«
    »Im Fernsehen. Wieso können sie den armen Stalin nicht in Ruhe lassen? Es ist eine Schande.«
    »Was davon?«
    »Alles.«
    »Ich glaube, Sie haben recht. Ich glaube, es wird genug Schande für alle geben.«
     
    »Sie haben sich Zeit gelassen.« Surin wartete unten. Der Kaschmirmantellag im Impresariostil über seinen Schultern, und in seinen Mundwinkeln glänzte der Schaum banger Sorge.
    »Wurde er wieder gesichtet?«
    »Was sonst?«
    »Sie hätten ohne mich anfangen können. Sie brauchten nicht zu warten.«
    »Doch. Die Situation ist einigermaßen delikat.« Die Sichtung, sagte Surin, habe wie zuvor im letzten Wagen des letzten Zugs des Abends stattgefunden, sogar zur selben Minute, um 01 Uhr 32 - ein Zeugnis für die Pünktlichkeit der Metro. Diesmal waren zwei Beamte in Zivil im betreffenden Wagen stationiert gewesen. Als sie Anzeichen der Beunruhigung bemerkten, hatten sie den Fahrer per Funk angewiesen, den Bahnsteig nicht zu verlassen, bis alle dreiunddreißig Fahrgäste aus dem letzten Wagen ausgestiegen waren. Dann hatten sie vorläufige Aussagen zu Protokoll genommen. Surin reichte Arkadi einen Spiralblock mit einer Liste von Namen, Adressen und Telefonnummern.
    I. Rosanow, 34, männlich, Klempner, »nichts gesehen«.
    A. Anilow, 18, männlich, Soldat, »vielleicht etwas gesehen«. M. Burdenowa, 17, weiblich, Schülerin, »aus dem Geschichts-
    unterricht wiedererkannt«.
    R. Goluschkowitsch, 19, männlich, Soldat, »hat geschlafen«. V. Goluschkowitsch, 20, männlich, Soldat, »war betrunken«.
    A. Antipenko, 74, männlich, Rentner, »hat den Genossen Stalin auf dem Bahnsteig gesehen«.
    F. Mendelejew, 83, männlich, Rentner, »hat den Genossen
    Stalin auf dem Bahnsteig winken sehen«.
    M. Peschkowa, 33, weiblich, Lehrerin, »nichts gesehen«. P. Penejew, 40, männlich, Lehrer, »nichts gesehen«.
    W. Selenski, 32, männlich, Filmemacher, »hat Stalin vor der Sowjetflagge gesehen«.
    Und so weiter. Von den dreiunddreißig Fahrgästen hatten acht Stalin gesehen. Diese acht waren in Gewahrsam genommen worden, die Übrigen hatte man entlassen. Die Bahnsteigaufseherin, eine G. Petrowa, hatte nichts Außergewöhnliches gesehen und ebenfalls gehen dürfen. Die Notizen waren unterschrieben von den Kriminalbeamten Isakow und Urman.
    »Isakow, der Held?«
    »Ganz recht«, sagte Surin. »Er und Urman wurden zu einem anderen Fall gerufen. Es geht nicht, dass gute Leute hier ihre Zeit verschwenden.«
    »Natürlich nicht. Wo ist dieser andere Fall?«
    »Ein Ehestreit, ein paar Straßen weit von hier.«
    Die Bahnsteiguhr zeigte 04:18, genau wie Arkadis Armbanduhr. Die Zeit bis zur Ankunft des nächsten Zuges stand auf 00, denn das System würde erst in einer Stunde wieder anlaufen. Ohne das Grollen der Züge im Hintergrund war der Bahnsteig eine Echoarkade, in der hier und dort Surins Stimme widerhallte.
    »Und was soll ich tun?«, fragte Arkadi. »Einen

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