S.T.A.L.K.E.R. 02 - Inferno
Wert verloren hatte.
„Seid ihr verrückt geworden?", begehrte Kim auf. „Was habe ich euch denn getan?"
„Sie haben Radek", antwortete Tunduk. „Und sie geben ihn nur wieder raus, wenn wir dich der Spetsnaz ausliefern."
Kim erschrak. In die Hände der Spezialeinheit zu geraten war ihr schlimmster Albtraum.
„Du willst mich an diese eiskalten Typen verschachern?" Sie konnte es nicht glauben. „Aber ... Onkel Wanja!"
Tunduk sprang von der Haube auf. „Ich bin nicht dein Onkel!", herrschte er sie an. „Aber ich bin ein Vater! Radeks Vater. Kannst du das nicht verstehen?"
Als er die Frage stellte, geriet seine Stimme kurz ins Wanken, doch Sekunden später hatte er sich wieder im Griff. „Los", wandte er sich an Ross Campbell. „Mach den Typen fertig und dann raus hier."
Ross steckte das Lederband weg und hob das Sturmgewehr an.
Igel, der gerade wieder zu Atem kam, schrie vor Entsetzen auf. „Lass den Quatsch", rief er, die Hände abwehrend in die Höhe gestreckt. „Ich hab nichts mit eurem Scheiß zu tun. Hab die Kleine nur begleitet, weil ich ihr auf den Hintern gucken wollte. Aber wenn ihr ältere Rechte habt, will ich euch nicht in die Quere kommen!"
Kim hielt sich die Ohren zu, um nicht mit anhören zu müssen, wie Igel sie aus Angst verleumdete.Rross hingegen hatte Menschen schon schlimmer um ihr Leben winseln hören, das machte ihm nichts aus. Sein Zeigefinger suchte den Druckpunkt. Die Gründe, aus denen ein Mensch getötet werden durfte, waren für ihn schon während seiner aktiven Dienstzeit verwischt.
„Spar die Munition", widerrief Tunduk seine Anordnung. „Es ist schon genug Blut geflossen, und dieser Wurm kann uns nicht gefährlich werden. Sorg einfach dafür, dass er uns nicht in den Rücken fällt."
Ross senkte ohne erkennbare Gefühlsregung die Waffe. Danach ging er auf Igel zu und rammte ihm die rechte Stiefelspitze zwischen die Beine. Igel schrie gequält auf und wälzte sich erneut am Boden. Als seine Schmerzen endlich wieder abebbten, lag er allein und ohne Waffen in der Halle.
Kim und ihre Leute waren fort.
Am Abzug der AKM, in die David blickte, war kein Finger. Sie hing einfach nur locker am Tragegurt von einer Schulter, und das besorgte Gesicht, das sich darüber abzeichnete, gehörte Alexander Marinin.
„Was ist los, mein Junge?", fragte der Major, der keine Uniform, sondern zivile Stalker-Kleidung trug. „Geht's dir schlecht?"
Er streckte die Rechte aus, um David auf die Füße zu helfen. Seine Linke umklammerte ein schwarzes Gehäuse, das leise Pieptöne von sich gab. David verstaute den Feuerkäfer in der Jackentasche und ließ sich bereitwillig in die Höhe ziehen.
„Geht schon wieder", behauptete er. „Bin nur noch etwas benommen. Wie kommst du überhaupt hierher?"
Marinins Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. „Bestimmt nicht wegen dem PDA, den du außer Gefecht gesetzt hast."
Die ernste Miene hielt nur wenige Sekunden an, dann huschte ein Grinsen über sein Gesicht. Gleichzeitig hielt er das piepsende Gerät an Davids Oberarm. Der hektische Klang beschleunigte weiter, bis er zu einem durchgehenden Ton wurde.
David hatte Mühe, ein Brummen zu unterdrücken. „Die Impfung des Doktors", kombinierte er. „Das hätte ich mir gleich denken können."
Marinins Mundwinkel zuckten. „Als du mit den Sprengkapseln aus Escape from New York angefangen hast, dachte ich schon, du hättest mich durchschaut."
Ein trockenes Husten verscheuchte seinen Anflug von Heiterkeit.
David holte das Steinblut hervor und drückte es dem Major in die Hand. „Hier, für dich. Steck's einfach in die Brusttasche. Es gibt genug davon."
Marinin folgte dem Rat und atmete hörbar auf, als das Artefakt seine heilende Wirkung entfaltete. „Was ist mit der kleinen Raika?", wollte er wissen. „Simak ist ganz aus dem Häuschen, seit er von deiner Meldung erfahren hat."
„Du hast die E-mail an den General weitergeleitet?"
„ Ich kann nicht alles für mich behalten, David. Aber hiervon ..." Alexander wedelte mit dem Peilgerät. „.. .hiervon weiß niemand außer mir. Ich habe mich heimlich abgesetzt, weil du die Dinge schneller ins Rollen gebracht hast, als ich zu hoffen gewagt habe. Jetzt erzähl mal genau, was du herausgefunden hast."
Sie wanderten gemeinsam in den Schatten einer Eiche, wo David von den Erlebnissen der letzten Tage berichtete. Als er auf die Begegnung mit Plichko zu sprechen kam, lief das Gesicht des Majors rot an.
„Diese Schweine!", fluchte er.
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