S.T.A.L.K.E.R. 02 - Inferno
heranzog, ahnte sie, dass er ein falsches Spiel trieb. Was hätte sie jetzt dafür gegeben, Ross mit Hilfe des Feuerkäfers überprüfen zu können.
„Du hast überhaupt nicht vor, auf die Ankunft der Spetsnaz zu warten", sprach sie ihre Vermutung aus.
„Stimmt genau, Prinzessin." Der Brite gönnte ihr ein freudloses Lächeln. „Wanja hat ausgedient. Er hat die Sache mit den Schutzanzügen von vorne bis hinten vermasselt. Jetzt wird es Zeit, nur noch an mich selbst zu denken."
Bei diesen Worten zog er Kims Stirnband hervor und pflückte den Feuerkäfer aus der geflochtenen Fassung. Während das Leder zu Boden fiel, nahm er den Stein vorsichtig zwischen Daumen und Zeigefinger und hielt ihn in eine der Lichtbahnen, die durch das löchrige Dach hereinfielen.
„Was aus dir wird, interessiert mich nicht", sagte er, ohne Kim anzusehen. „Ich will nur wissen, wie ich dieses Ding dazu benutzen kann, an die Schutzkleidung zu kommen."
Kim war so verblüfft, dass sie zuerst kein Wort hervorbrachte.
„Du kannst gar nichts mit dem Feuerkäfer anfangen", brachte sie endlich hervor. „Es ist ein Kraftfokus für Leute, die kognitive Fähigkeiten besitzen."
Er wandte sich Kim zu, aber das verbesserte ihre Position in keiner Weise. Seine kalten, gefühllosen Augen kündeten von dem, was er Menschen anzutun vermochte.
„Erzähl keinen Scheiß", sagte er gefährlich leise. „Ich bin nicht so blöd wie Wanja."
„Aber wenn ich's dir doch sage ..."
Er versetzte ihr einen Schlag mit der flachen Hand, ohne dafür auszuholen. Trotzdem flog ihr Kopf in den Nacken. Gleich darauf schmeckte sie Blut zwischen den Lippen.
„Quatsch nicht", verlangte er, eine Spur schärfer. „Der ganze Mist, den es hier in der Zone zu finden gibt, kann von jedem benutzt werden. Also auch dieser Stein. Du hast nur das Glück gehabt, ihn als Erste zu finden. Und du warst schlau genug, Wanja das Märchen von dem Kraftfokus für kognitiv Begabte aufzutischen. Aber bei mir kommst du damit nicht durch."
„Ross" Sie legte ihre ganze Überzeugungskraft in die Betonung seines Namens. „Bitte, so glaub mir doch. Es gibt nichts, was ich dir über ..."
Sie hatte sich vorgenommen, dem nächsten Schlag auszuweichen, doch diesmal hämmerte er die Faust tief in ihre Magengrube. Es fühlte sich an, als würde die Körpermitte explodieren. Keuchend klappte sie zusammen, schaffte es aber, sich mit ein paar Rückwärtsschritten auf den Beinen zu halten.
Tränen des Schmerzes stiegen in ihre Augen, doch Kim drängte sie zurück. Ross sollte sie nicht weinen sehen.
„Mach's dir nicht so schwer, Prinzessin", riet der Brite. „Ich hatte schon ganz andere Kaliber in der Mangel. Fanatische Moslems im Irak, fanatische Katholiken in Nordirland. Am Ende hat jeder von denen darum gebettelt, alles erzählen zu dürfen. Also -wie machst du das mit dem Stein?"
Kim versuchte ganz ruhig zu bleiben, obwohl sie rettungslos in der Falle saß. Mit Ross war nicht vernünftig zu reden, soviel stand fest. Entweder hatte ihn die Zone verrückt gemacht, oder er misstraute generell jedem, außer sich selbst. Auf jeden Fall kam sie mit der Wahrheit nicht weiter.
„Okay, okay", lenkte sie zum Schein ein. „Ich zeig dir, wie es geht. Aber dafür musst du mir die Fesseln lösen."
Sie wusste nicht, ob er auf den Vorschlag eingehen würde, aber das war auch egal. Sie wollte einfach nur Zeit gewinnen, bis Tunduk oder die Spetsnaz nach ihr schauten. Im Moment war alles besser, als dem übergeschnappten Briten ausgeliefert zu sein.
IN DEN HÜGELN
Igel streifte schon seit über einem Jahr durch die Zone und kannte sich entsprechend gut aus. Er hätte die Spur des Trios sogar aufnehmen können, wenn sie zwei Tage alt gewesen wäre. Es war, als würde er einer Elefantenherde folgen. Geknickte Halme, niedergetretenes Gras - all diese Hinweise ließen sich nicht übersehen.
Trotzdem schleppte er einen Fünf-Liter-Kanister Altöl mit sich, um ab und zu eine stinkende Markierung zu hinterlassen. Bloß für den Fall, dass David im Knast blind geworden war.
Mit der Zeit wurde die Last immer leichter, bis er den Kanister selbst als Zeichen zurückließ. Igel überlegte schon, ob er einen scharfkantigen Stein suchen sollte, um von nun an Hinweise in die Baumrinden zu ritzen, doch das war nicht mehr nötig.
Von einer Anhöhe aus konnte er sehen, dass die Spuren zu einem einsamen Gehöft führten. In welches Gebäude sie genau gegangen waren, ließ sich nicht erkennen, aber alleine konnte
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