Star Trek - Vanguard 04 - Offene Geheimnisse
Seufzen aus. Sie wandte sich von den Berichtstapeln, Verfahrensakten, Datenblöcken und -karten sowie den anderen Dingen ab, die ihren Tisch in Beschlag nahmen, und streckte die Arme über den Kopf. Die Muskeln in ihrem Rücken und ihren Schultern dankten es ihr, als sie ihre Finger ineinander hakte und sich damit zur Decke streckte. Danach führte sie die Finger zu ihrem Kopf und massierte ihre Schläfen, stets in der Überzeugung, ihr Kopf müsse augenblicklich vor Protest explodieren.
Hört sich fast an, als wäre das etwas Schlechtes
.
Ihr Tag war so verlaufen, wie alle, seit Captain Desai sie um Mithilfe bei der Anklage gegen Commodore Reyes gebeten hatte. Moyer zählte sie längst nicht mehr. Solche Tage begannen früh,
sehr
früh, und erstreckten sich bis weit in die Abendstunden. Bei mehreren Gelegenheiten hatte Moyer es sogar vorgezogen, erst gar nicht mehr in ihr Quartier zurückzukehren, sondern gleich auf der Couch ihres Büros zu kollabieren, um wenigstens ein paar Stunden Schlaf zu bekommen. Erholung sah anders aus, und ihr Verstand war ständig mit den Unmengen an Fakten beschäftigt, die zum Verfahren des Commodores gehörten. Wenn sie überhaupt Mahlzeiten zu sich nahm, dann an ihrem Schreibtisch. Nur einmal am Tag entkam sie ihrem Büro und gönnte sich eine Pause in der Sporthalle, wo sie nach ihren Übungen auch gleich duschte und sich eine frische Uniform anzog.
Es geht doch nichts über ein Leben voller Muße
.
Moyer stand von ihrem Tisch auf und griff über den Morast aus administrativen Pflichten und Schriften nach ihrer Kaffeetasse. Sie war dunkel, trug das Symbol des JAG-Korps der Sternenflotte und begleitete sie schon seit ihrer Zeit auf der Akademie. Die wärmeisolierte Keramiktasse mit ihrem dicken Boden und dem geschwungenen Griff hatte drei Jahre Jurastudium sowie eine Anstellung auf Sternenbasis 11 überstanden, zusätzlich zu zahlreichen Umzügen und Versuchen, sie durch andere, geringer wertigere Wettbewerber zu ersetzen. Die Tasse hatte lange genug überlebt, um bis ans Ende des erforschten Weltraums zu gelangen, wo sie aus allen Richtungen ein paar der eindrucksvollsten Gegner der Föderation flankierten. Und momentan stand sie vor der vielleicht einschüchternsten Aufgabe in der jungen Karriere ihrer Besitzerin.
Oookay
, entschied Moyer und schüttelte den Kopf über ihre absurden Gedanken.
Du brauchst definitiv noch Kaffee
.
Die Türen ihres Büros glitten beiseite, und sie trat hinaus in den „Bullpen“, den großen Freibereich im Herzen der JAG-Büros, der die juristischen und administrativen Assistenten der dortigen Anwälte beherbergte. Moyer hielt inne und ließ den Blick durch den Raum schweifen. Die meisten der Dutzend Tische waren unbesetzt, die Schreibtischlampen gelöscht. Selbst die Deckenbeleuchtung war gedimmt, und Moyer brauchte einen Moment, bis sie die Uhr über dem Hauptausgang sah und registrierte, dass die regulären Dienstzeiten lange vorüber waren.
Nur zwei Tische wiesen noch Anzeichen von Gebrauch auf. Ihr am nächsten war der ihres eigenen Assistenten, Ensign Christopher Pimental, der momentan woanders war. Und der andere Tisch, am entfernteren Ende des Raumes und gleich neben Captain Desais Büro gelegen, gehörte deren Assistentin, Lieutenant Deborah Simpson. Die kleine Lampe schien auf Stapel aus Akten und Berichten hinab, und auch der Computer auf dem Tisch war noch an. Was auf dem Monitor stand, konnte Moyer aus der Entfernung aber nicht entziffern. Simpson war vermutlich in Desais Büro und trug die Hauptlast der jüngsten Verfahrensvorbereitungen des Captains.
Moyer lächelte, wusste sie doch, dass Desai mehr von sich selbst verlangte, als jeder andere in diesem Büro. Die Vorbereitungen für eines der vielbeachtetsten und kritisiertesten Gerichtsverfahren in der Geschichte der Föderation gingen weiter.
Sind wir ein wenig melodramatisch?
Moyer seufzte und ging zur Kaffeeküche am Ende der Büros und Konferenzräume. Beinahe lief sie dabei Ensign Pimental über den Haufen, der gerade um eine Ecke gebogen kam. Flink und reaktionsschnell trat er zur Seite, um eine Kollision zu vermeiden, und umklammerte die Kaffeetasse in seinen Händen.
„Verzeihung, Lieutenant“, sagte er mit einem schüchternen Lächeln. „Ich habe Sie nicht gesehen.“ Pimental war ein großer Mensch, mit kurzgeschorenem schwarzem Haar und einer immer höher werdenden Stirn. Sein goldenes Uniformoberteil dehnte sich über seiner muskulösen Brust und den Schultern.
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