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Starbuck. Der Verräter (German Edition)

Starbuck. Der Verräter (German Edition)

Titel: Starbuck. Der Verräter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Colonel Lee dadurch die Gelegenheit hatte, einen Haken um die linke Flanke der Konföderierten zu schlagen, traf ihn eine Kugel in die Brust.
    Er erbebte, sein gesamter Körper wurde von dem peitschenden Schlag der Kugel erschüttert. Die Luft wurde ihm aus den Lungen gepresst, sodass er einen Moment nicht atmen konnte, und doch fühlte er sich merkwürdig ruhig und losgelöst, sodass er genau mitverfolgen konnte, was er gerade erlebte. Die Kugel, denn er war sicher, dass es eine Kugel war, hatte ihn mit der Wucht eines Pferdetritts getroffen. Zuerst hatte er das Gefühl, vollkommen gelähmt zu sein, doch als er zu atmen versuchte, entdeckte er freudig überrascht, dass seine Lungen trotz allem ihren Dienst taten, und ihm wurde bewusst, dass es sich um keine echte Lähmung handelte, sondern nur um eine Unterbrechung seiner Verstandeskontrolle über seine Körperbewegungen. Außerdem wurde ihm bewusst, dass diese Sinneswahrnehmungen für seinen Vater, einen Medizinprofessor in Harvard, höchst interessant wären, und so hob er die Hand zu der Tasche, in der er sein Notizbuch und einen Stift aufbewahrte, doch dann, ohne etwas dagegen unternehmen zu können, begann er vornüber zu kippen. Er versuchte nach Hilfe zu rufen, doch kein Ton kaum aus seiner Kehle, und dann versuchte er die Hände zu heben, um seinen Fall zu bremsen, doch mit einem Mal schienen seine Arme vollkommen kraftlos. Sein Schwert, dass er zu Beginn seines Laufs gezogen hatte, fiel auf den Boden, und er sah einen Blutstropfen auf die spiegelblanke Klinge spritzen, und dann fiel er der Länge nach über den Stahl, und durch seine Brust jagte ein schrecklicher Schmerz, sodass er vor Angst und Qual laut aufschrie. Vor seinen Augen erschien ein Bild seiner Familie in Boston, und er wollte weinen.
    «Lieutenant Holmes ist getroffen!», rief ein Mann.
    «Holt ihn! Bringt ihn zurück!», befahl Colonel Lee, dann ging er selbst los, um nachzusehen, wie schwer Holmes verwundet war. Ein paar Sekunden wurde er von den Artilleristen aus Rhode Island aufgehalten, die den Infanteristen zuriefen, aus dem Weg zu bleiben, solange sie die Kanone abfeuerten. Die Kanone ruckte auf ihrem Sporn zurück, während sie Rauch und Flammen über die sonnige Lichtung spie. Jedes Mal, wenn sie abgefeuert wurde, sprang sie ein paar Fuß weiter zurück, sodass ihr Sporn eine grob gepflügte Furche in der blätterübersäten Erde hinterließ. Die Geschützmannschaft war zu beschäftigt, um die Kanone wieder nach vorne zu hieven, und jeder neue Schuss wurde von ein paar Fuß weiter hinten abgefeuert als der vorhergehende.
    Colonel Lee erreichte Holmes, als der Lieutenant gerade auf die Trage gehoben wurde. «Es tut mir leid, Sir», brachte Holmes heraus.
    «Nicht sprechen, Wendell.»
    «Es tut mir leid», wiederholte Holmes. Lee blieb stehen, um das Schwert des Lieutenants aufzuheben, und fragte sich, warum so viele Männer glaubten, verwundet zu werden sei ihre eigene Schuld.
    «Sie haben es gut gemacht, Wendell», sagte Lee nachdrücklich, dann brachte ihn plötzlicher Jubel dazu, sich umzudrehen. Er sah, dass eine Einheit neuer Rebellentruppen in dem Wald gegenüber ankam, und er wusste, dass er nun keine Chance mehr hatte, einen Haken um die ungeschützte Flanke des Gegners zu schlagen. In der Tat sah es sogar so aus, als könnte der Gegner seine eigene Flanke umlaufen. Er fluchte leise vor sich hin, dann legte er Holmes’ Schwert neben den verwundeten Lieutenant auf die Trage. «Bringen Sie ihn vorsichtig hinunter», sagte Lee, dann zuckte er zusammen, als ein Corporal zu schreien begann, weil sich eine Kugel in seinen Bauch gebohrt hatte. Ein weiterer Mann taumelte mit einem blutgefüllten Auge zurück, und Lee fragte sich, warum in Gottes Namen Baker nicht den Rückzug befohlen hatte. Es war Zeit, sich über den Fluss zurückzuziehen, bevor sie noch alle hier starben.
    Auf der anderen Seite der Lichtung hatten die Rebellen jenes dämonische Gebrüll angestimmt, von dem Nordstaaten-Veteranen aus der Schlacht von Manassas behaupteten, es sei der Auftakt zur Katastrophe gewesen. Es war ein unheimlicher, heulender, unmenschlicher Lärm, der Colonel Lee reine Schauder des Entsetzens über den Rücken jagte, ein langgezogenes Jaulen, wie von einem Tier, das seinen Triumph über einen Rivalen hinausbrüllt, und es war dieser Klang, so befürchtete Lee, der die Niederlage der Nordstaaten begleiten würde. Ein Zittern überlief ihn, dann packte er sein Schwert ein wenig fester und ging

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