Starbuck. Der Verräter (German Edition)
Spottlieder, und es wurde gefragt, warum die kostspieligste Armee in der amerikanischen Geschichte Winterschlaf gehalten hatte, bevor sie gegen den Feind vorrückte. Es waren Männer wie dieser Kongressabgeordnete, die den Präsidenten damit bedrängten, für die Armee der Nordstaaten einen Anführer mit mehr Kampfgeist zu suchen, und McClellan hatte die ständige Kritik dieser Leute satt. Er demonstrierte seine Verachtung, indem er dem Kongressabgeordneten betont den Rücken zuwandte und stattdessen einen seiner Offiziere anfunkelte. «Die Quäker sind doch heute morgen hier aufgestellt worden, meinen Sie nicht auch?»
Der Stabsoffizier, ein Colonel der Pioniereinheit, hatte die Quäker-Geschütze in Augenschein genommen und aus dem verfaulten Zustand ihrer kolbenförmigen Enden geschlossen, dass die Kloben wenigstens seit dem vergangenen Sommer an Ort und Stelle sein mussten, was bedeutete, dass sich die Unionsarmee der Nordstaaten, der größte Truppenverband, der in Amerika jemals aufgestellt worden war, in den letzten Monaten von ein paar gefällten und mit Pech angestrichenen Bäumen hatte abschrecken lassen. Der Colonel allerdings wusste es besser, als General McClellan seine Ansichten kundzutun. «Vielleicht liegen sie auch schon seit gestern hier, Sir», sagte er taktvoll.
«Aber letzte Woche standen hier noch richtige Kanonen, oder?», wollte McClellan erbittert wissen.
«Oh, zweifellos», log der Colonel.
«Ganz bestimmt», fiel ein anderer Offizier mit wissendem Nicken ein.
«Wir haben sie gesehen!», behauptete ein dritter Nordstaatenoffizier, doch in Wahrheit fragte er sich, ob seine Kavalleriepatrouillen durch diese angemalten Holzkloben, die echten Kanonen aus der Entfernung verblüffend ähnelten, getäuscht worden waren.
«Diese Baumstämme», kam es höhnisch von dem Kongressabgeordneten aus Illinois, «wirken auf mich ziemlich alteingesessen.» Er stieg auf die schlammige Schießscharte, machte sich dabei die Kleidung schmutzig und rutschte auf der Seite des Quäker-Geschützes schwerfällig wieder hinunter. Irgendwann mussten in den Schießscharten echte Kanonen gestanden haben, denn die Attrappen lagen auf sanft ansteigenden Erdrampen, die mit Holzplanken verkleidet worden waren, damit diese den Rückstoß einer abgefeuerten Kanone abfangen konnten, bevor das Geschütz wieder in seine Stellung zurückrollte. Der Kongressabgeordnete rutschte beinahe aus auf den alten Holzplanken, die mit einem schmierigen, feuchten Schimmel überzogen waren. Er hielt das Gleichgewicht, indem er sich auf das Rohr des Quäker-Geschützes stützte, und dann rammte er seinen rechten Fuß nach unten. Sein Absatz brach glatt durch die verrottete Plattform und scheuchte eine Kolonie Asseln auf, die verzweifelt vom Tageslicht wegkrabbelten. Der Kongressabgeordnete nahm einen weichgekauten Zigarrenstumpen aus dem Mund. «Kann mir nicht vorstellen, wie hier in den letzten Monaten eine echte Kanone hätte stehen können, General. Ich schätze, sie haben sich wegen ein paar gefällter Bäume in die Hosen gemacht.»
«Was Sie hier miterleben», McClellan wirbelte leidenschaftlich zu dem Politiker herum, «ist ein Sieg! Vielleicht sogar der einmaligste Sieg in den Annalen unseres Landes! Ein glorreicher Sieg. Ein Triumph wissenschaftlich eingesetzter Kriegskunst!» Mit dramatischer Geste deutete der General auf die qualmenden Holzhaufen und die geschwärzten Räderpaare der Gepäckwaggons und die hohen Backsteinschornsteine, die karg über der schwelenden Glut emporragten. «Schauen Sie sich das an, Sir», sagte McClellan und wedelte mit dem Arm über den trostlosen Anblick, «das ist eine geschlagene Armee. Eine Armee, die vor unserem siegreichen Vormarsch zurückgewichen ist wie Gras vor dem Schwung der Sense.»
Gehorsam beäugte der Kongressabgeordnete die Szenerie. «Erstaunlich wenige Leichen, General.»
«Ein Krieg, der durch List gewonnen wird, Sir, ist ein gnädiger Krieg. Dafür sollten Sie Gott dem Allmächtigen auf Knien danken.» Mit dieser letzten, spitzen Bemerkung drehte sich McClellan um und schritt entschlossen Richtung Stadt.
Der Kongressabgeordnete schüttelte den Kopf, sagte aber nichts weiter. Stattdessen sah er bloß zu, wie ein schlanker Mann in einer alten, abgetragenen französischen Kavallerieuniform über die Schießscharte stieg, um sich das Quäker-Geschütz anzusehen. Der Franzose führte ein monströses Langschwert an der Seite, trug eine Augenklappe im Gesicht und wirkte sehr gut
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