Starbuck. Der Verräter (German Edition)
aufgelegt. Sein Name war Colonel Lassan, und er war ein französischer Militärbeobachter, der die Nordstaatenarmee seit der Schlacht beim Bull Run im Sommer zuvor begleitete. Nun trat er mit der Fußspitze auf die Planken der Geschützstellung. Seine Sporen klirrten, als das verrottete Holz unter seinem halbherzigen Tritt einbrach. «Nun, Lassan?», fragte der Kongressabgeordnete. «Was halten Sie davon?»
«Ich bin nur ein bescheidener Gast in Ihrem Lande», sagte Lassan taktvoll, «ein Fremder und ein Zuschauer, und daher ist meine Meinung vollkommen unbedeutend.»
«Sie haben doch Augen im Kopf, oder? Nun ja, eines jedenfalls», fügte der Kongressabgeordnete hastig hinzu. «Sie müssen kein Amerikaner sein, um zu beurteilen, ob dieser Kloben erst gestern hierhin gelegt wurde oder nicht.»
Lassan lächelte. Sein Gesicht war stark vernarbt, doch in seiner Miene lag etwas Unbezähmbares und Verschmitztes. Er war ein geselliger Mensch, der ein perfektes Englisch mit britischem Akzent sprach. «Eines habe ich über Ihr wundervolles Land gelernt», sagte er zu dem Kongressabgeordneten, «und zwar, dass wir simplen Europäer unsere Kritik für uns behalten sollten.»
«Sie arroganter Hurensohn von einem Froschfresser», sagte der Kongressabgeordnete. Er mochte den Franzosen, obwohl ihm der einäugige Bastard am Abend zuvor beim Pokern zwei Monatsgehälter abgenommen hatte. «Also sagen Sie mir, Lassan. Sind diese Kloben gestern hierhin gelegt worden?»
«Ich glaube, die liegen schon etwas länger hier als General McClellan annimmt», sagte Lassan taktvoll.
Der Kongressabgeordnete starrte der Abteilung des Generals, die nun etwa hundert Schritt entfernt war, wütend nach. «Ich denke, er will sich seine schöne, adrette Armee nicht schmutzig machen lassen, indem er sich in einen Kampf mit ein paar garstigen, schlechterzogenen Jungs aus dem Süden verwickeln lässt. Denken Sie das auch, Lassan?»
Lassan dachte, dass der Krieg innerhalb eines Monats beendet sein könnte, wenn die Nordstaatenarmee einfach geradeaus vorrückte, ein paar Verluste in Kauf nahm und immer weitermarschierte, aber er war viel zu diplomatisch, um bei den Meinungsverschiedenheiten, über die in den Amtssitzen und an den gutbestückten Dinnertafeln der Hauptstadt so leidenschaftlich gestritten wurde, Partei zu ergreifen. Also quittierte Lassan die Frage nur mit einem Schulterzucken und wurde vor dem weiteren Verhör durch das Eintreffen des Skizzenmalers einer Zeitung gerettet, der anfing, die verfaulten Planken und den zerfallenden Holzkloben ins Bild zu setzen.
«Sie haben einen Sieg vor Augen, mein Sohn», sagte der Kongressabgeordnete höhnisch und schälte die feuchteren Blätter von seiner Zigarre, bevor er sie wieder in den Mund schob.
«Eine Niederlage ist es jedenfalls bestimmt nicht», sagte der Skizzenmaler loyal.
«Sie halten das hier für einen Sieg? Mein Sohn, wir haben die Rebellen nicht hier weggejagt, sie sind einfach wegspaziert, als es ihnen gepasst hat! Inzwischen haben sie ihre Holzkanonen schon woanders in Stellung gebracht. Wir haben erst wirklich gesiegt, wenn wir Jeff Davis an seinen mageren Fersen aufknüpfen. Ich sage Ihnen, mein Sohn, diese Kanonen verrotten hier schon seit letztem Jahr. Ich schätze, unser neuer Napoleon ist einfach mal wieder reingelegt worden. Holzkanonen für einen Holzkopf.» Der Kongressabgeordnete spuckte in den Schlamm. «Machen Sie ruhig eine Zeichnung von diesen Holzkanonen, mein Sohn, und achten Sie darauf, dass man die Spurrillen sieht, wo die echten Kanonen weggezogen worden sind.»
Der Skizzenmaler betrachtete stirnrunzelnd den Schlamm hinter den verrottenden Geschützstellungen. «Da sind doch gar keine Spurrillen.»
«Jetzt haben Sie es begriffen, mein Sohn. Und das bedeutet, dass Sie unserem neuen Napoleon um Längen voraus sind.» Der Kongressabgeordnete stapfte davon, begleitet von dem französischen Beobachter.
Hundert Schritt weiter stand ein anderer Zivilist stirnrunzelnd vor einem Quäker-Geschütz. Der Mann hatte einen dichten, eckig gestutzten Bart, aus dem kampflustig eine schwärzliche Pfeife ragte. Er trug einen schäbigen Reitmantel, hohe Stiefel und einen runden Hut mit schmaler Krempe. In der Hand hielt er eine kurze Reitpeitsche, mit der er unvermittelt der Mündung der Holzkanone eins überzog, bevor er sich umdrehte und einem Untergebenen zurief, ihm sein Pferd zu bringen.
Später an diesem Abend empfing der bärtige Mann einen Besucher im Salon des Hauses,
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