Stark (Dark Half)
Schreibblockierung ein wenig hinausgingen. Zumindest zwei wohlbekannte Autoren (die nicht zitiert werden wollten) erklärten, sie hätten sich in dieser kritischen Zeit zwischen seinem ersten und seinem zweiten Buch große Sorgen um seine geistige Gesundheit gemacht. Der eine meinte, Beaumont hätte in dem Jahr nach der Veröffentlichung von The Sudden Dancers, das ihm mehr lobende Worte als Tantiemen einbrachte, sogar einen Selbstmordversuch unternommen.
Gefragt, ob er an Selbstmord gedacht hätte, schüttelt Beaumont nur den Kopf und sagt: »Das ist absurd. Öffentliche Anerkennung war nicht das eigentliche Problem; es war die Schreibblockierung.
Und ein toter Autor kann dieses Problem nicht mehr aus der Welt schaffen.«
Indessen kam Liz Beaumont immer wieder auf die Idee eines Pseudonyms zurück. »Sie sagte, ich könnte mich zusammenreißen und es tun, wenn ich nur wollte. Irgendetwas schreiben, wozu ich gerade Lust hatte, ohne das Gefühl, dass mir die New York Times Book Review beim Schreiben ständig über die Schulter schaute. Sie sagte, ich könnte einen Western schreiben, eine Gespenstergeschichte, einen Science Fiction-Roman. Oder einen Krimi.«
Thad Beaumont lächelt.
»Ich glaube, den hat sie ganz absichtlich als letztes genannt. Sie wusste, dass ich mit dem Gedanken an einen Kriminalroman gespielt hatte; allerdings war es mir nicht gelungen, die Sache in den Griff zu bekommen.
Irgendwie faszinierte mich der Gedanke an ein Pseudonym. Es bedeutete so etwas wie Freiheit - eine Art geheimer Notausgang, wenn Sie verstehen, was Ich damit meine.
Aber da war noch etwas anderes - und das ist sehr schwer zu erklären.«
Beaumont streckt eine Hand in Richtung auf die säuberlich gespitzten Berols dem Steinzeugtopf aus und zieht sie dann zurück. Dann blickt er durch das große Fenster seines Arbeitszimmers auf die Frühlingspracht der Bäume in ihrem frischen Grün.
»Die Vorstellung, ein Pseudonym zu benutzen, war fast so, als stellte man sich vor, man wäre unsichtbar«, sagt er schließlich fast zögerlich. »Je mehr ich mich mit dem Gedanken an ein Pseudonym befasste, desto stärker hatte ich das Gefühl, mich - ja - neu erfinden zu können.«
Seine Hand geht wieder auf Wanderschaft, und diesmal gelingt es ihr, einen der Bleistifte aus dem Steinzeugtopf zu stibitzen, während er mit seinen Gedanken ganz woanders ist.
Thad schlug die nächste Seite auf und schaute dann zu den Zwillingen in ihrem hohen doppelten Kinderstuhl.
Bruder-und-Schwester-Zwillinge waren immer zweieiig, doch Wendy und William waren einander so ähnlich, wie zwei Kinder es überhaupt sein können, ohne tatsächlich eineiige Zwillinge zu sein.
William lächelte Thad mit der Flasche im Mund an.
Wendy lächelte gleichfalls mit ihrer Flasche im Mund, aber sie besaß etwas, das ihrem Bruder fehlte - einen einzigen Zahn, der völlig schmerzlos erschienen war und die Oberfläche des Zahnfleischs so lautlos durchbrochen hatte wie das Periskop eines Unterseeboots die Wasseroberfläche.
Wendy löste ein Patschhändchen von ihrer Plastikflasche. Öffnete es. Ballte es. Öffnete es. Ein Wendy-Winken.
Ohne sie anzusehen, löste William eines seiner Händchen von seiner Flasche, öffnete es, ballte es, öffnete es.
Ein William-Winken.
Thad hob eine seiner eigenen Hände vom Tisch, öffnete sie, ballte sie, öffnete sie.
Die Zwillinge lächelten mit den Flaschen im Mund.
Er richtete den Blick wieder auf die Zeitschrift. Oh, People, dachte er, wo wären wir ohne dich, was würden wir ohne dich anfangen? Die neuesten Nachrichten über sämtliche Stars in Amerika, Leute.
Der Interviewer hatte die gesamte schmutzige Wäsche ans Licht gezogen, die sich herausziehen ließ - in erster Linie die vier schlimmen Jahre, nachdem er für The Suaden Dancers den National Book Award nicht bekommen hatte - aber das war zu erwarten gewesen, und er stellte fest, dass ihn die Zurschaustellung nicht sonderlich störte. Erstens einmal war die Wäsche nicht übermäßig schmutzig, und zweitens war er immer der Ansicht gewesen, dass es sich mit der Wahrheit besser leben ließ als mit einer Lüge. Zumindest auf lange Sicht.
Vorbei sich natürlich die Frage ergab, ob die Zeitschrift People und die »lange Sicht« irgendetwas gemeinsam hatten.
Und wenn schon. Jetzt war es ohnehin zu spät.
Der Bursche, der den Artikel geschrieben hatte, hieß Mike - daran erinnerte er sich, aber Mike wie?
Wenn man nicht gerade ein Earl war, der über Fürstenhäuser
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