Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stark (Dark Half)

Stark (Dark Half)

Titel: Stark (Dark Half) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
und nahm ihm die Kinder ab. Ihre Hände suchten flatternd nach Verletzungen.
    »Okay«, sagte Thad. »Ich glaube, sie sind okay.«

    Alan trat an das ausgefetzte Loch in der Wand. Er schaute hinaus und sah ein Bild wie aus einem grausamen Märchen. Der Himmel war schwarz von Vögeln, aber an einer Stelle war er schwarz wie Ebenholz, als wäre in das Gewebe der Realität ein Loch gerissen worden.
    Dieses schwarze Loch hatte die unverwechselbare Form eines sich wehrenden Mannes.
    Die Vögel hoben es höher, höher, immer höher. Es erreichte die Wipfel der Bäume und schien dort innezuhalten. Alan glaubte, aus dem Zentrum der Wolke einen schrillen, unmenschlichen Schrei zu hören. Dann setzten sich die Sperlinge wieder in Bewegung. In gewisser Weise war es, als schaute man sich einen Film an, der rückwärts abgespult wurde. Aus allen zerbrochenen Fenstern des Hauses ergossen sich schwarze Ströme von Sperlingen; sie stiegen von der Auffahrt empor, von den Bäumen und dem runden Dach von Rawlies Volkswagen.
    Und alle bewegten sich auf die zentrale Schwärze zu.
    Der menschenähnliche Fleck begann sich wieder zu bewegen - über die Bäume, in den Nachthimmel -, und dann war er dem Blick entschwunden.
    Liz saß in der Ecke, hatte die Zwillinge auf dem Schoß, schaukelte sie, beruhigte sie — aber beide Kinder schienen nicht mehr sonderlich aufgeregt zu sein. Sie blickten fröhlich in ihr verstörtes, tränennasses Gesicht.
    Wendy patschte darauf, wie um ihre Mutter zu trösten. William pflückte eine Feder aus ihrem Haar und betrachtete sie eingehend.
    »Er ist fort«, sagte Thad heiser. Er war neben Alan vor das Loch in der Wand getreten.
    »Ja«, sagte Alan. Plötzlich brach er in Tränen aus. Er war nicht darauf gefaßt gewesen; es passierte einfach.
    Thad versuchte, einen Arm um ihn zu legen, doch Alan trat beiseite; unter seinen Stiefeln knackten die Knochen toter Sperlinge.
    »Nein«, sagte er. »Nicht nötig.«
    Thad schaute wieder durch das zerfetzte Loch in die Nacht hinaus. Ein Sperling kam aus der Dunkelheit und landete auf seiner Schulter.
    »Danke«, sagte Thad zu ihm. »Ich danke. ..«
    Der Sperling hackte auf ihn ein, plötzlich und bösartig, und dicht unter seinem Auge quoll Blut hervor.
    Dann flog er davon, um sich den anderen anzuschließen.
    »Warum?« fragte Liz. Sie sah Thad bestürzt und verwundert an. »Warum hat er das getan?«
    Thad schwieg, aber er glaubte die Antwort auf diese Frage zu kennen. Rawlie DeLesseps würde sie auch gekannt haben. In dem, was gerade geschehen war, hatte genügend Magie gesteckt - aber ein Märchen war es nicht gewesen. Vielleicht war dieser letzte Sperling von irgendeiner Macht ausgesandt worden, die überzeugt war, daß Thad darauf hingewiesen werden mußte. Nachdrücklich darauf hingewiesen.
    Seien Sie vorsichtig, Thaddeus. Kein Mensch ist imstande, die Agenten des jenseitigen Lebens zu kontrollieren.
    Jedenfalls nicht lange -und er muß immer einen Preis dafür zahlen.
    Welchen Preis werde ich dafür zahlen müssen? fragte er sich schaudernd. Und die Rechnung — wann wird sie fällig?
    Aber das war eine Frage für ein andermal, einen anderen Tag. Und vielleicht war die Rechnung bereits bezahlt.
    »Ist er tot?« fragte Liz - fast flehend.
    »Ja«, sagte Thad. »Er ist tot. Zum dritten und allerletzten Mal. Jetzt ist endgültig Schluß mit George Stark. Und nun kommt - sehen wir zu, daß wir hier herauskommen.«
    Und genau das taten sie.

Epilog
    Henry küßte Mary Lou an diesem Tag nicht, aber er herließ sie auch nicht wortlos, wie er es hätte tun können.
    Er sah sie an, ertrug ihren Zorn und wartete darauf, daß er zu diesem verschlossenen Schweigen abebbte, das er so gut kannte. Ihm war bewußt geworden, maß der größte Teil des Kummers ihr gehörte und nicht geteilt, geschweige denn zerredet werden durfte. Mary Lou hatte immer am besten getanzt, wenn sie allein tanzte.
    Schließlich gingen sie über das Feld und blickten noch einmal auf das Spielhaus, in dem Evelyn vor drei Jahren gestorben war. Es war kein großartiger Abschied, aber es war der beste, den sie zustandebrachten. Henry kam er gut genug vor.
    Er setzte Evelyns kleine Papier-Ballerinas in das hohe Gras neben der eingestürzten Vortreppe, wohl wissend, daß der Wind sie bald genug davontragen würde. Dann verließen er und Mary Lou zum letzten Mal gemeinsam das alte Haus. Es war nicht viel, aber es war in Ordnung. Es genügte. Er war kein Mann, der glaubte, daß alles glücklich enden müßte.

Weitere Kostenlose Bücher