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Starke Frau, was nun?

Starke Frau, was nun?

Titel: Starke Frau, was nun? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kera Jung
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grässlichen künstlichen grünen Girlanden geschmückt. In einer Ecke entdeckt sie einen dieser dekadenten Weihnachtsbäume – selbstverständlich eine verwesende Tanne, keine Plastikimitation. Verdammte Baumkiller! Und auf dem Büfett steht eine riesige Punschschale.
    Dieser dämliche Emigrant! Punsch wird in Deutschland nicht zu Weihnachten getrunken; das weiß sogar die erklärte Weihnachtshasserin, Lisa Radtke.
    Natürlich hat sich alles aufgebrezelt, als würde es demnächst zu einem beschissenen Ball gehen – mit anschließendem Umtrunk beim Präsidenten der Vereinigten Staaten (der größten Fehlbesetzung in Sachen Friedensnobelpreis, welche die Welt jemals erlebt hat). Abgesehen von Lisa natürlich. Die trägt zur Feier des Tages ihren ältesten, ausgebeultesten Strickpullover. Sie wäre überhaupt nicht hier angetanzt, aber dieser Idiot hat sie mit Hinweis auf das nächste Topfthema – Weihnachtsfeier bei Radio-Berlin – hinterhältig dazu genötigt.
    Und inmitten von alledem – wie könnte es anders sein – steht er: in Jeans und mit offenem Hemd, einschließlich eines breiten Grinsens. Chris breitet gerade seine Arme aus, was in Lisas Augen echt beängstigend wirkt. »Ladys and Gentleman, ich sage nicht viel, nur eines: Lasst es krachen!«
    Das war sie, die Weihnachtsansprache. Meyer steht daneben und hat offenbar nichts zu melden; Lisa beobachtet ihn und ist nicht zum ersten Mal ratlos. Derartige peinliche Ansprachen oblagen bisher immer ihrem wahren Chef. Nicht, dass sie gut waren, Meyer kann alles, nur nicht frei sprechen, weshalb er ja vor seinem Aufstieg auch Nachrichtensprecher und kein Moderator war. Doch dass er sich so einfach das Zepter aus der Hand nehmen lässt ...
    Wer ist dieser Scout eigentlich? Wer hat ihn geschickt? Warum kommt er extra aus Florida hierher gejettet, um einen mickrigen Lokalsender vor der Pleite zu retten? Als stürmischer Applaus und vereinzelte Pfiffe ertönen, runzelt sie irritiert die Stirn. Sie hatte nämlich schon angesetzt, um einzufallen; zwei Finger befinden sich zu allen Schandtaten bereit in ihrem Mund. Glücklicherweise geht ihr die Fehleinschätzung noch rechtzeitig auf, denn die vermeintlichen Buhrufe sind in Wahrheit begeisterte Ovationen. Alles befindet sich im kollektiven Rausch – Rebekka steht scheinbar kurz vor der aktuellsten Ohnmacht.
    Verdammte Heuchler. Alle! Lisa ist die Einzige, die nicht klatscht – was nur leider niemandem auffällt.
    Schließlich beruhigen sie sich und dröhnende Musik wird eingespielt. Peter Fox macht den Anfang – klaro! Mühsam widersteht sie dem Wunsch, sich die Ohren zuzuhalten. Was für ein Albtraum!
    Irgendwann tritt Meyer zu ihr. »Ich bin stolz auf dich, Mädchen.«
    Mehr als einen teilnahmslosen Blick erhält er dafür nicht, bevor sie wieder zur inzwischen tobenden Menge schaut. Offensichtlich können ihre Kollegen wie auf Kommando in Partylaune verfallen. Hat der Kerl die bestochen?
    »Ihr macht das wirklich gut«, beharrt Meyer.
    »Falsch«, korrigiert sie. » Er macht es gut, wenn du es so sehen willst. Mir hat er die Sendung versaut. Ich habe mit diesem Scheiß, der da allabendlich stattfindet, nichts zu tun. Verschon mich damit!«
    »Mädchen ...«, seufzt er.
    Sie schüttelt den Kopf. »Es ist nur eine Frage, wann er mich wegrationalisiert.«
    »Also, ich finde, er macht einen recht zufriedenen Eindruck«, merkt er an. »Und ich glaube nicht, dass er dich loswerden will. Er ...«
    »Ha!«, schnaubt Lisa. »Yeah, vielleicht hast du sogar recht. Solange ich seine Berliner Göre mime, lässt er sich vielleicht erweichen.«
    »Welche Göre?« Das ist Chris, der von Lisa unbemerkt zu ihnen getreten ist.
    Sofort fährt sie zu ihm herum. »Stalkst du mich?«
    »Sicher, was dachtest du denn?« Er verzieht das Gesicht. »Du stehst direkt vor dem Punsch, step aside!« Bevor sie reagieren kann, hat er sich bereits zum Tisch vorgedrängt.
    »Du bist auch nie um eine Ausrede verlegen, oder?«, erkundigt sie sich leicht verbissen.
    »Nein.« Stirnrunzelnd reicht er Meyer ein Glas Punsch; der wünscht sich gerade nach Argentinien – jedenfalls wirkt er so. »Helmut, was ich sagen wollte ...«
    »Hmmm«, meint der und beobachtet, wie der Ami ein zweites Glas füllt.
    »Diese Geschichte mit der neuen Newssprecherin ...« Kurz darauf gehen die beiden tief in ihr Gespräch versunken davon. Düster blickt Lisa ihnen nach und fragt sich immer drängender, was sie hier überhaupt tut. Läuft doch alles bestens ohne

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