StasiPolka (German Edition)
Einkäufe erledigten. Es war noch nicht die Zeit der Selbstdarsteller mit den geflochtenen Ei nkaufkörbchen; später würden sie hier mit viel Getue Creme Double kaufen und lautstark ihren Lieblingskrämer über den Reifegrad seines Pouligny und das Säureprofil von Olivenöl ausfragen.
Er ließ den Markt hinter sich und rief Margriet an. Besetzt. Vielleicht war Katja inzw ischen ansprechbar. Zum Westbahnhof war es nicht weit. Am besten, er holte seine Sachen aus dem Schließfach und sah dann weiter.
Der Marsch durch die frische Morgenluft machte seinen Kopf klar und vertrieb die M üdigkeit. Je länger er über die ganze Geschichte nachdachte, desto sicherer war er, die Jagd war vorbei.
Sobald Katja transportfähig war, würde er sie nach Hause zurück bringen, später konnten sie neue Pläne schmieden. Wer weiß, wie es mit ihnen beiden weiter ging? Ein paar Wochen auf dem Boot würden ihr gut tun. Möglicherweise kam Rea mit. Wann würde Katja sie einweihen? Familienleben, ein seltsamer Gedanke.
Das Handy zirpte. Margriets Stimme war rau. „Sie ist tot.“ Vincent hörte sie a tmen. Es klang, wie das Rasseln von Schrauben in einer Blechdose. „Herzversagen. Sie hat viel Blut verloren, dazu innere Verletzungen durch das große Kaliber. Nicht zu retten. Der Arzt hat so schnell geredet, ich habe nicht alles verstanden.“
„Wann?“ Er wollte es nicht glauben.
„Heute morgen um vier.“ Sie versuchte sich zu beherrschen.
„Bleiben Sie in der Nähe des Telefons. Ich rufe gleich zurück.“
Er war wie taub, hörte sein Herz schlagen. Gerade hatte etwas begonnen und war schon vorbei. Brach jetzt alles usammen? Schräg voraus sah er eine kleine Grünanlage abseits des Verkehrs. Zwischen Blumenbeeten und niedrigen Büschen ein verlassener Kinderspielplatz. Er setzte sich auf eine Parkbank, die noch feucht war vom morgendlichen Tau. In dem großen Sandkasten zu seinen Füßen lag vergessenes Spielzeug. Ein paar Kinder mit bunten Schulranzen auf dem Rücken gingen plappernd vorbei. Ab und zu streifte ihn ein unsicherer Blick.
Genau so war es gewesen, als seine Mutter starb. Der Verlust traf ihn damals wie ein Schlag. Aus heiterem Himmel. Aber er war ziemlich jung, als er sie verlor. Ku rzer Schmerz, weiter ging das Leben. Später dann, im Westen, die Arbeit an den Zielpersonen. Kühle Umarmungen. Immer schon eine möglichst freundschaftliche Trennung im Hinterkopf, wenn das Material nichts taugte oder abgeschöpft war. Gut gearbeitet, wenn sie lächelnd sagte, ihr sei auch nach etwas mehr Abstand zumute, schlecht, wenn die Angst vor dem Alleinsein sie aus der Fassung brachte. Manchmal hinterließ er ziemlichen Unrat. Manchmal spürte er Bedauern. Schmerz nie wieder.
Jetzt sah er sich auf einmal wieder in der Abstellkammer des Krankenhauses, in die si e damals Sterbende schoben und schaute auf die blonde Frau hinunter, die nur noch hauchen konnte. „Tut mir so leid, Junge.“ „Wird schon wieder, Mutter.“ Danach Schweigen. Ende. Nichts zu machen.
Er stand auf und streckte sich.
„Können Sie mir die Uhrzeit sagen?“
Vincent drehte sich halb um. Der Mann trug dunkle Turnschuhe und hatte sich schräg von hinten auf seine Sitzbank zu bewegt. Er war klein und stämmig, dunkle Ha are, vielleicht Mitte vierzig. Beide Hände steckten tief in den Taschen einer hellen Regenjacke, deren Reißverschluss er bis unters Kinn hoch gezogen hatte. Er lächelte.
„Gleich acht.“ Vincent schaute de n Mann an, nicht auf seine Armbanduhr.
„Acht Uhr?“ Der Mann warf einen kurzen Blick über die Schulter zur Strasse. Ein älterer roter Volvo stand halb auf dem Gehsteig, sein Diesel nagelte rau im Lee rlauf. Ein oder zwei Personen an Bord, wenn sich Vincent nicht täuschte. Der Kleine blickte ihn wieder an, Schweißperlen auf der Stirn.
„Ziemlich genau“, sagte Vincent und griff nach dem Messer in seinem Rücken.
„Danke.“ Der Mann machte eine halbe Drehung zur Strasse hin. Als er die rechte Hand aus der Tasche zog, stand Vincent bereits neben ihm und stach zu.
„He.“ Der Kleine stieß überrascht die Luft aus und ließ einen kurzläufigen R evolver fallen. Vincent schob die Waffe mit dem Fuß beiseite und blieb hinter ihm in Deckung. Ein junger Bursche in schwarzer Lederjacke sprang aus dem Volvo und lief auf sie zu. Vincent drückte seinem Vordermann das Messer in den Rücken.
„Sagen Sie Ihrem Freund, er soll bleiben, wo er ist, wenn Ihnen was an Ihren Nieren liegt.“ Er drückte etwas
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