StasiPolka (German Edition)
verdreht hängen und verzog das Gesicht, als die Apothekerin den Ellbogen vorsichtig beugte und ihm beim Anlegen half. Sie nickte verständnisvoll, als er ihr schilderte, wie er auf der Strasse gestolpert und gestürzt war. „Gehen Sie bald zum Arzt.“ Als sie ihm noch ein Schmerzmittel anbieten wollte, drückte er ihre Hand und sagte, er werde es irgendwie ohne versuchen.
Der Pilot war binnen einer Minute am Telefon. Nicht besonders viel zu tun bei „Air Men“. Er schlug vor, ihn in Linz abzuholen, als Vincent ihm sagte, er sei in Krems und habe keine Lust, nach Wien zurück zu fahren. Hansson fragte, ob sie wieder zu zweit seien, gab sich aber mit Vincents Nein zufrieden. Als er hörte, es gehe auf die britische Insel, aber Vincent würde ihm das Ziel erst später nennen können, schien ihn das nicht zu stören. Sie verabredeten sich für zwei Uhr nachmittags.
Margriet hatte offenbar schon gepackt, als Vincent sie anrief. Er schilderte ihr die Situation.
„Ich fliege nach Wien und versuche, den Behördenkram und die Überführung zu regeln“, sagte sie. Wenn ich alle Papiere zusammen habe, rufe ich Sie an. Kann sein, dass Rea auch was unterschreiben muss. So lange Graham nicht auftaucht, ist sie die einzige Verwandte.“ Sie hatte wieder die übliche brummige Stimme. „Und er wird b estimmt nicht auftauchen“, fügte sie hinzu, „Vincent, kümmern Sie sich jetzt um Rea, sie braucht Trost und jemanden, der sie in den Arm nimmt.“ Sie zögerte. „Ich weiß, dass Sie ihr Vater sind, Vincent.“ Ihre Stimme wurde weicher. „Ich habe hier noch zwei Briefe von Katja, für Rea und für Sie.“
„Margriet, schaffen Sie das hier in Wien? Was macht eigentlich Ihr Arm?“
„Keine Sorge, Kamerad“, sagte sie trocken. Hörte er da einen leichten Hauch von Ironie? „Schauen Sie jetzt nach unserer Kleinen. Wir bleiben in Kontakt.“ Sie legte auf. Vincent fragte sich, was Katja alles ausgelassen hatte, als sie ihm Margriet als betagte Haushaltshilfe beschrieb.
In der Taxenbucht standen die Fahrer untätig neben ihren Autos und quatschten. Vincent kaufte sich am Kiosk gegenüber eine Zeitung, setzte sich auf eine Bank und wartete, bis ein langhaariger Junge, der sein kariertes Hemd lose über den Jeans trug, auf den ersten Platz in der Schlange vorrückte. Er drückte die Beifahrertür auf, als er den Arm in der Schlinge sah. Vincent stieg nicht ein.
„Was kostet eine Fahrt nach Linz?“ Der junge überlegte, aber Vincent ließ ihm keine Zeit. „Wie wär´s mit vierhundert Dollar?“ Die Augen wurden größer. Vincent zeigte auf seinen Arm. „Ich bin vorhin gestürzt und habe soeben vom Arzt eine Spritze und eine Packung Tabletten bekommen. Er hat mir abgeraten, mit dem Auto oder dem Zug zu fahren.“
„Steigen Sie ein.“ Der gute Samariter.
Vincent gab ihm die Scheine. Der Fahrer war sofort bereit, Vincents Tasche aus dem Schließfach am Westbahnhof zu holen. Sie tauschten noch einige Gemeinplätze über unerwartete Hindernisse bei Geschäftsterminen und die Nebenwirkungen von Schmerztabletten aus; der Junge erzählte weitschweifig von einer Verletzung, die er sich beim Fußball zugezogen hatte, schließlich stellte Vincent die Rückenlehne schräg, schloss die Augen und gab vor, zu schlummern.
Es war noch immer früher Vormittag. Sie rollten gemächlich die B1 entlang, bis sie die Westautobahn erreichten. Dann gab der Fahrer Gas, soweit es der dichte Ve rkehr zuließ. Sie passierten Sankt Pölten und Melk und fuhren weiter ostwärts, bis sie kurz vor Linz in einen Stau gerieten. Der Junge fragte ihn, ob er die Autobahn verlassen solle, aber Vincent winkte ab. Nur Idioten versuchen es auf Umleitungen, es sei denn, die Autobahn ist für zwei Tage gesperrt. Der Fahrer vertrieb sich die Zeit am Handy, schließlich ging es weiter.
Vincent ließ am Accor halten und steckte dem Jungen noch einen Schein zu. Damit hatte der nicht gerechnet; er half Vincent mit dem Gepäck und winkte zum Abschied. Vincent wartete, bis das Taxi verschwunden war, dann durchquerte er die geschäftige Hotellobby, suchte sich einen Ecktisch auf der Gartenterrasse und bestellte ein Radler. Sobald die Kellnerin gegangen war, befreite er seinen Arm und verstaute die Schlinge in der Reisetasche. Es war sonnig. Er zog seine Jacke aus, machte es sich bequem und nippte am Radler. Etwas zu süß.
„Wie geht es Catherine?“ Nigel hatte offensichtlich auf Vincents Anruf gewartet. Er klang nicht so, als stehe seine
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