STASIRATTE
meine Absicht, etwas unterzubringen, von dem ich dieses Mal hoffte, es könnte Schaden zu meinen Gunsten anrichten.
Sie hieß Chiara und ärgerte mich seit geraumer Zeit.
Allein schon der Name regte mich auf, als sie eines Tages neu eingestellt bei uns in der Bar erschien. Keiner der Kollegen hatte davon gewusst. Anscheinend hatte die gastronomische Leitung in ihrer Herrlichkeit eine Lücke bei uns festgestellt, die wir selbst noch nicht kannten, und gehandelt.
So war also Chiara selbstbewusst mit ihrer umwerfenden Figur in unser sozialistisches Kollektiv hereingerauscht und verdrehte nun allen Kollegen und Gästen den Kopf. Sie sah blendend aus, duftete nach schwerem Parfüm, war charmant und flink. Ich fand sie zwar etwas zu üppig, da ihr Busen sie beinahe vornüberfallen ließ, das schien die Männer aber gar nicht zu stören.
Ganz klar wusste ich bald, dass ich das nicht hinnehmen wollte. Ich beobachtete und beargwöhnte sie eine Zeit lang. Aber Chiara arbeitete korrekt. Im Gegenteil, zu mir war sie immer besonders liebenswürdig und fragte mich nach meinem Rat, wenn sie etwas nicht wusste, was mich zusätzlich auf die Palme brachte.
Als ein paar Stammgäste damit anfingen, mich nach ihr zu fragen, als wäre ich nicht mehr gut genug, war das Maß voll.
Micha hatte bemerkt, dass ich in Gedanken war, und in Ruhe abgewartet. Wenn ich etwas zu berichten hatte und damit nur schwer herauszukommen schien, lag es auch in seinem Interesse, mich nicht zu sehr zu drängen.
Ich setzte mich aufrecht hin, um für mein Vorhaben negative Energie zu sammeln, und legte los. „Wir haben seit ein paar Wochen eine neue Kollegin“, begann ich.
Micha sah mich erwartungsvoll an. „Ja, stimmt, ich hatte das nächste Mal vor, mir dir über sie zu sprechen, aber wenn du jetzt schon willst ...?“, er unterbrach sich, als ich eifrig nickte. „Na gut, warum nicht“? Er schob mir einen Bogen Papier über den Tisch.
Finster entschlossen, die Konkurrenz aus dem Weg zu schaffen, schmückte ich meinen Bericht fantasievoll mit erfundenen Zusätzen aus, die ihr unterstellten, sich regelmäßig mit Gästen aus Westberlin zu verabreden. Vielleicht will sie ja geheiratet werden und dann einen Ausreiseantrag stellen, mutmaßte ich bitterböse. Micha beobachtete mich ernst und konzentriert.
Jetzt konnte er verfolgen, wie ich moralisch ins Bodenlose stürzte. Ich fügte noch ein paar gemeine Aussagen über ihr „bewusst provozierendes“ Äußeres hinzu und vollendete damit mein schwarzes Werk. Nachdem ich fertig geschrieben hatte, reichte ich ihm das Blatt, ohne mir meinen Text nochmals durchzulesen, hastig herüber. Micha sah mich forschend an. „Ich habe noch eilig etwas zu erledigen“, erfand ich eine Möglichkeit, mich möglichst schnell vom Tatort zu entfernen. Denn ich wollte schnell weg von dem Platz, an dem ich ein vernichtendes Werk begonnen hatte, das meine finsteren Mitstreiter erstaunlich rasch vollendeten.
Keine zwei Wochen später wurde Chiara ohne Begründung in den Bankettsaal versetzt.
* * *
„Der Beklagte möge erklären, was er mit seiner Verteidigungsbereitschaft erreichen will: Es erscheint fragwürdig, für das Recht zu kämpfen, bis zum Tode des Erstversterbenden seine verharmlosend Grußkarten genannte anonyme Post an meine Mandantin zu senden.“
Was beinahe lustig klingt, ist so nicht gemeint. Mike zerlegt die Verteidigung von Gerrys Anwalt. Er erlaubt sich unter anderem den Hinweis, dass das Bestrafungsmonopol immer noch in den Händen des Staates liegt. Und er lässt die andere Seite wissen, dass es für uns nicht nachvollziehbar ist, wie ein derartiges Recht auf anonymes Kartenschreiben hergeleitetwerden soll, wenn doch jede Privatperson einen Abwehranspruch gegen die Zusendung unerwünschter Werbung hat.
Ich hoffe sehnlichst, dass der Richter die Verhandlung nun schnell anberaumt, denn ich habe diesen Briefwechsel langsam satt und wünsche mir ein Ende des Dramas herbei.
Mike macht mir Hoffnung, dass es nicht mehr lange dauern werde. Der Richter hätte sich inzwischen ein Bild machen können und würde dann auch bald entscheiden, meinte er.
Zwei Wochen später kommt die Ladung. Nun ist es also so weit. Gerry und ich werden uns wiedersehen. In dem Schreiben ist von einem Termin zur Güteverhandlung und zur mündlichen Verhandlung die Rede. Ferner wird darauf hingewiesen, dass das Erscheinen eines zwecks Aufklärung des Sachverhalts informierten und zum Vergleichsabschluss ermächtigten Vertreters
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