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STASIRATTE

STASIRATTE

Titel: STASIRATTE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Döhring
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kleines schwarzes Kofferradio, das Micha sogleich einschaltete, als wir uns setzten. Auf der kahlen Tischplatte lagen seine Unterlagen neben einer Flasche Mineralwasser und zwei Gläsern.
    „Da bin ich also wieder.“ Meine Worte waren eine Mischung aus Stolz und Trotz. Mein Führungsoffizier hatte nichts anderes als meine Rückkehr erwartet, machte er mir bei der Begrüßung klar. Ich verkniff mir jeden Kommentar dazu, stattdessen stillte ich seine Neugier. Denn er bat mich nicht uninteressiert: „Erzähl doch mal, wie ist es denn so da drüben?“ Und nun Vorsicht.
    Micha erfuhr etwas von der Hektik einer Großstadt und mit verhaltener Begeisterung verschaffte ich ihm einen kleinen Einblick in die Einkaufsmöglichkeiten.
    Dazu sagte ich Sachen wie: „Wenn man alles kaufen kann, muss man weniger kreativ sein.“
    Haha.
    „Genau, deshalb sind wir bei uns hier alle Improvisationstalente“, kommentierte Micha gut gelaunt.
    Größeren Raum gab ich der Beschreibung der touristischen Ziele, wie dem Zoologischen Garten und dem Schloss Charlottenburg. Die Sehenswürdigkeit Berliner Mauer ließ ich allerdings ebenso unerwähnt wie die Attraktion, dasBrandenburger Tor mal von der anderen Seite zu sehen. Meinen Opportunismus hielt ich für clever.
    Während ich erzählte, griff ich mir ein paar Mal an die Ohrläppchen, weil meine neuen Clips ein wenig zwickten. Micha beobachtete es und fragte: „Hast du die auch mitgebracht?“
    Ich nickte und nahm einen ab, um mir das Ohr zu reiben.
    „Das ist ja ganz rot“, klärte Micha mich auf.
    „Ja, die klemmen ein bisschen zu fest“, sagte ich.
    „Darf ich mal?“, fragte er.
    Ich wusste nicht so recht, was er damit wollte, und zögerte. Aber dann streckte er seine Hand aus und ich legte ihm meinen Ohrring hinein. Er betrachtete ihn einen Moment und steckte ihn sich tatsächlich ans Ohr, um dann auch festzustellen, dass er zu fest saß.
    „Ja, kneift ganz schön“, meinte er und reichte ihn mir fröhlich wieder zurück.
    Das war ein seltsamer Moment. Ich hielt den Clip in der Hand und wollte ihn im ersten Reflex am liebsten abwaschen gehen. Micha hatte, mehr aus Versehen, eine Distanz überschritten. Ich nahm auch den anderen Ohrring ab und legte beide in meine Handtasche.
    „Na, dann mal zurück zum Ernst des Lebens.“ Micha blieb in bester Stimmung. Ich fragte mich, ob das etwas mit meiner Rückkehr zu tun hatte. Höchstwahrscheinlich hatte ich meine Reisegenehmigung auch seiner Fürsprache zu verdanken und wusste nicht so recht, ob das jetzt Glück oder Unglück war. Und was auch immer es heute war, was würde das morgen bedeuten?
    Den Zeichen der Zeit gemäß grassierte auch unter meinen Kollegen das Reisefieber und wollte von der Stasi untersucht werden. Micha behandelte das Thema zunehmend mit Ironie, beinahe lax nannte er mir einige Namen und fragte mich, ob ich zu dem einen oder anderen etwas sagen könnte. Spürte er,dass die Tage seiner Behörde gezählt waren? Dämmerte es ihm bereits, dass es eigentlich keinen Sinn mehr machte, wegen irgendwelcher Hinterzimmererkenntnisse eine Reise zu verweigern?
    Ich dagegen freute mich ein bisschen, wenn ich mit meinen Beiträgen zur Person auch anderen den Weg zur Reisegenehmigung ein wenig ebnen konnte. Ganz sicher war ich nicht die Einzige, die ausgefragt wurde, wenn ich aber hinterher hörte, dass der oder die auch im Westen waren, konnte ich mir wenigstens einreden, dass ich nützlich gewesen war.
    * * *
    Doch vom Nützling zum Schädling ist es manchmal nur ein kleiner Schritt.
    Der Alltag hatte mich wieder und alle paar Monate traf ich mich mit meinem Führungsoffizier zum konspirativen Nachmittag. Kurz nach Eintreffen in der kargen Wohnung fragte ich: „Warum ist eigentlich das Radio an?“ Scheußliche Schlagermusik eines Senders, den ich sonst nicht an meine Ohren ließ, dudelte aus dem Radio, das nach wie vor als einziger Gegenstand die Schrankwand besiedelte.
    „Eine Sicherheitsvorkehrung“, war Michas knappe Ant-wort. Und weil er meinen verständnislosen Gesichtsausdruck sah, ergänzte er: „Man kann nie wissen. Es kann uns jedenfalls niemand abhören, wenn parallel zu unserem Gespräch das Radio läuft.“ Ich war verdutzt. Meinte er, dass ich von meiner Reise eine Wanze mitgebracht hätte? Ich, eine Doppelagentin? Wahrscheinlich war es nur die misstrauische Grundhaltung der berufsmäßigen Schnüffler, hinter jedem Baum einen Banditen zu sehen.
    In diese Atmosphäre des Jeder gegen Jeden passte auch

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