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StatusAngst

StatusAngst

Titel: StatusAngst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alain de Botton
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Dichtern (Weimar, 1815) oder den Bauern (China, 1967) -, denn das oberste Anliegen der Snobs ist die Macht, und wenn sich die Machtverhältnisse verschieben, ändern sich damit natürlich auch die Objekte ihrer Wertschätzung.
     

 
4
     
    Der Kontakt mit Snobs ist deshalb so deprimierend und entnervend, weil wir spüren, wie wenig das, wer wir im Innersten sind — also jenseits von Status —, ihr Betragen uns gegenüber bestimmt. Nur die Wertschätzung, die wir in den Augen maßgeblicher Personen genießen, kann den Snob dazu bewegen, uns seine Freundschaft anzudienen. Wir mögen weise wie Salomo sein, listenreich wie Odysseus, sind wir aber unfähig, gesellschaftlich anerkannte Belege unserer Qualitäten vorzuweisen, wird uns der Snob mit Verachtung strafen.
    Die vorbehaltliche Natur der snobistischen Zuneigung ist beleidigend, weil auch Erwachsene sich gewissermaßen am Grundmuster der bedingungslosen Liebe orientieren, die Eltern ihrem Kind entgegenbringen. Unsere frühesten Erinnerungen an die Liebe verbinden sich mit dem Erleben der Fürsorge als hilfloses Mangelwesen. Säuglinge können die Pflege, die sie verlangen, nicht mit irdischen Gütern vergelten. Wenn sie also geliebt und gehätschelt werden, dann für das, was sie tatsächlich sind; der Begriff der Identität hat hier seine ursprünglichste Bedeutung. Säuglinge werden wegen oder trotz ihres unbeherrschten, quengelnden und störrischen Wesens geliebt.
    Erst später fordert die Liebe auch Leistungen: gute Manieren, schulische Erfolge, endlich den Erwerb von Prestige und Status. Ein solcher Ehrgeiz kann anziehend auf andere wirken, aber dahinter steht wohl weniger der Wunsch, mit unseren Taten zu glänzen, als vielmehr den Zustand der bedingungslosen Liebe wieder herzustellen, den wir aus der Kindheit kennen.
    Als Beleg dafür mag gelten, dass nur der dümmste Schmeichler offen zugäbe, er umwerbe jemanden allein deshalb, weil der Betreffende Macht oder Ruhm erlangt hat. Als Grund für eine Einladung zum Essen erschienen uns dergleichen Vorzüge beleidigend, ja bestürzend in ihrem Opportunismus, da sie unserem wahren Wesen äußerlich bleiben. Jobchancen können platzen, Einfluss kann schwinden, ohne dass wir deshalb zugrunde gehen oder unser kindlicher Hunger nach Zuneigung nachlässt. Begabte Schmeichler wissen daher, dass sie sich nur auf die Persönlichkeitswerte ihrer Zielobjekte berufen dürfen, nicht aber deren Status, dass die Limousine, das Medienprofil oder der Firmenvorsitz nur rein zufällige Begleiterscheinungen einer echten und tief empfundenen Zuneigung darstellen dürfen. Doch trotz aller Bemühungen spüren die Umworbenen die Absicht hinter den schmeichelhaften Worten und meiden die Gesellschaft der Snobs - aus Furcht, dass sie nicht um ihrer selbst, sondern nur um ihres momentanen, möglicherweise vorübergehenden Status willen hofiert werden.
     

 
5
     
    Die Gewohnheit, Menschen nach ihrem Status zu bewerten, stürzt Snobs gelegentlich in tragikomische Loyalitätskonflikte.
    An einem nebligen Abend gegen Ende des 19.Jahrhunderts begibt sich der bürgerliche Erzähler in Marcel Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit (1922) in ein teures Restaurant, um mit einem adligen Freund zu dinieren, dem Marquis de Saint-Loup. Er kommt zu früh, Saint-Loup verspätet sich, und die Kellner, die den Gast nach seinem schäbigen Mantel und unscheinbaren Namen beurteilen, gehen davon aus, dass ein armer Schlucker, ein Niemand, ihr Etablissement betreten hat. Also behandeln sie ihn mit Herablassung, setzen ihn an einen Tisch, wo es eisig zieht, und lassen sich mit der Bedienung Zeit.
    Eine Viertelstunde später trifft der Marquis ein, begrüßt seinen Freund und erhöht damit schlagartig dessen Wert in den Augen des Personals. Der Maître verbeugt sich tief, legt ihm die Speisekarte vor, empfiehlt ihm die Spezialitäten des Tages so anschaulich wie blumig, macht ihm Komplimente wegen seiner Kleidung, und um den Eindruck zu vermeiden, dass der Gast diese Höflichkeiten nur seiner Verbindung mit einem Adligen zu verdanken hat, gönnt er ihm bei Gelegenheit ein falsches Lächeln, mit dem er die ausschließlich persönliche Natur seiner Zuneigung signalisieren will. Als ihn der Erzähler um Brot bittet, schlägt der Maître die Hacken zusammen und ruft: »›Sofort, Herr Baron!‹ - ›Ich bin nicht Baron‹, antwortete ich ihm mit komisch gemeinter Betrübnis. — ›Oh, bitte um Verzeihung, Herr Graf.‹ Ich fand nicht mehr Zeit, zum

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