SteamPunk 3: Argentum Noctis: SteamPunk (German Edition)
bitte einen Keks.“
„Kinkin!“ Sie wirkte richtig aufgeregt, als sie zu mir herüberschlurfte. Unbeholfen ließ sie die Keksdose auf den Tisch poltern und bemühte sich gleich darauf, sie zu öffnen. Erst glitten ihre behandschuhten Stahlfinger von der glatten Oberfläche ab. Dann griff sie jedoch so fest zu, dass sich das dünne Blech des Behältnisses immer mehr verbog. Nach beinahe zwei Minuten angestrengter Arbeit bekam sie plötzlich den Deckel zu fassen und riss ihn in einer ungeschickten Bewegung von der Dose herunter. Gleich darauf flog das verbeulte Blechteil im hohen Bogen durch den Raum und Charles an den Kopf.
Mein Freund war gerade in ein angeregtes wissenschaftliches Gespräch über die Befunde vertieft, welches ich leider nicht mitgehört habe. Als ihn das Geschoss traf, schien es ihn aus einer anderen Welt zurückzuholen. Sein Gesichtsausdruck war wirklich köstlich. Fiddlebury brach jedoch in solch ein gehässiges Gelächter aus, dass er sich an seinem Tee verbrannte. Kinkin hatte die Folgen ihres Tuns gar nicht bemerkt. Sie war vollauf damit beschäftigt, die scheinbar nur noch mit Krümeln gefüllte Dose nach einem Keks für mich zu durchsuchen.
„Was denken Sie, Mister Bradley?“, erkundigte sich Charles. Offenbar wollte er den Vorfall ignorieren. Die förmliche Anrede war natürlich der Anwesenheit der Fiddleburys geschuldet. Es wäre unhöflich gewesen, sich in diesem Kreis zu duzen.
„Worüber genau, Mister Eagleton?“ Es war peinlich, zugeben zu müssen, dass ich nicht zugehört hatte.
Charles war jedoch nicht verärgert. „Miss Fiddlebury schlägt die Fortsetzung unserer Spukexperimente vor.“
Dass ausgerechnet sie, die wohl am Meisten von uns unter der Erscheinung gelitten hatte, diesen Vorschlag machte, beeindruckte mich. Aus Fiddleburys Reaktion war ersichtlich, dass er ebenfalls nicht zugehört hatte.
„Wie bitte?“, meinte er entsetzt.
„Unsere Arbeit ist so wichtig“, argumentierte Rachel. „Ohne uns würden noch viele Jahrhunderte lang Menschen von diesen Erscheinungen tyrannisiert werden. Und Vater, denke nur daran, wie dankbar Misses Jameson war.“ Sie wandte sich an Charles und mich. „Sie ist gestern noch einmal vorbeigekommen und war vollkommen außer sich vor Freude. Sie hat die Wohnungen vermietet und kann im ganzen Haus endlich höhere Mieten verlangen. Sie wirkte so glücklich.“
Wenn Rachel so strahlte, konnte sie beinahe mit Julie mithalten. Allerdings fehlten ihr die Sommersprossen und das koboldartige Glühen in den Augen. Und erfreulicherweise war Julie nicht so heldisch wie Rachel. Der Rotschopf passte in jeder Beziehung zu meinem Freund.
„Davon abgesehen scheinen auch die Ergebnisse sehr wertvoll für uns zu sein“, meinte Charles. „Wir sind schon ein ganzes Stück weitergekommen.“
„Ich gehe auf keinen Fall noch einmal an so einen Spukort!“ Fiddlebury fuhr auf.
„Das ist auch gar nicht erforderlich“, sagte Charles besänftigend. „Vermutlich werden wenige Spukorte so leicht wie die bisherigen zugänglich sein. Und eventuell wird es erforderlich sein, schnell zu laufen oder zu klettern …“ Mein Freund meinte es – glaube ich – wirklich gut.
Doch seine Worte packten den alten Geier an einem wunden Punkt. „Wollen Sie behaupten, ich sei gebrechlich?“, fuhr er ihn lautstark an. „Nur weil ich ein paar Jahre älter bin als Sie, bin ich noch lange kein Greis!“ Er regte sich so sehr auf, dass sein Hemd und der Tisch einen Speichelschauer abbekamen.
Charles hob beschwichtigend die Hände. „Das wollte ich auch nicht damit sagen, aber …“
„Kein Aber ! Selbstverständlich werde ich an der nächsten Expedition teilnehmen!“ Charles nickte ergeben, dann breitete sich ein betretenes Schweigen aus.
„Ich hätte auch schon ein neues Ziel“, meinte Rachel zu unser aller Überraschung. Dann verschwand sie hinter einem riesigen Keks, den Kinkin in mein Blickfeld schob. Während ich Kinkin leise dankte, würdigte Charles Rachels Eifer. Ich stand auf, um dem Gespräch weiter folgen zu können, aber Kinkin hob den Keks exakt so weit an, dass er weiterhin mein gesamtes Gesichtsfeld ausfüllte.
„Vielleicht sollten wir uns vor dem nächsten Experiment einige Tage Pause gönnen“, warf ich dennoch in der Hoffnung ein, dass Charles und ich noch einmal das Anwesen der Blackwells besuchen würden. Ich kam beinahe um vor Sehnsucht.
„Leider haben wir nicht viel Zeit“, enttäuschte die hinter dem Keks verborgene Rachel
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